9. Oktober 2021, 08:00
Naturliebe

Die Kraft des Waldes spüren

Katharina Raba (links) leitet ihre Teilnehmer*innen zu Achtsamkeitsübungen im Wald an. Bild: Mara Kutzner
Wer gestresst ist, dem empfiehlt Katharina Raba, im Wald zu sich selbst zu finden, denn Waldbaden wirkt sich positiv auf Körper, Geist und Seele aus.

Katharina Raba teilt ihrer Gruppe kleine Bilderrahmen aus Holz aus. „Der Wald ist ein Kunstwerk“, sagt sie und regt dazu an, den Wald, die Bäume, das Moos, oder jeden noch so kleinen Ausschnitt am wuseligen Waldboden mit all seinen Käfern, Spinnen, dem Laub und den Ästen durch diesen Bilderrahmen zu betrachten. Und tatsächlich sind die Teilnehmer* innen der Waldbaden-Tour erstaunt über das, was sie durch die Rahmen so alles entdecken. Sei es der Blick in die Baumwipfel, die der Wind leicht hin und her bewegt, die Struktur der Baumrinde oder das Spinnennetz, an dem sich frischer Tau perlt. Es ist eine der vielen Übungen, zu denen Katharina Raba bei ihren Waldbaden-Touren anleitet. Die 34-Jährige hat sich vom Kneippärztebund in Zusammenarbeit mit dem Lehrstuhl für Public Health und Versorgungsforschung der Ludwig-Maximilians- Universität in München zur Wald-Gesundheitstrainerin ausbilden lassen. Unter dem Namen „Mein Wald-Gefühl“ gibt die Rainerin Workshops in einem Waldstück zwischen Münster und Holzheim und bringt Interessierten den Wald von einer ganz neuen Seite näher.

Die Heilkraft der Bäume

Waldbaden, bzw. Shinrin-Yoku, ist in Japan Bestandteil eines gesunden Lebensstils. Bereits im Jahr 1982 hat den Begriff das japanische Forstministerium geprägt und meint damit, mit allen Sinnen in die Stille und Unberührtheit des Waldes einzutauchen. Dass Ärzt*innen bei Burn-out oder Herzkreislauf-Erkrankungen eine Waldtherapie verordnen, ist in Japan nichts Unübliches. An dortigen Universitäten ist Waldmedizin längst anerkanntes Forschungsgebiet. Die Waldluft und die ätherischen Öle, die von den Bäumen freigesetzt werden, wirken sich auf unser Nervensystem und auf unsere Stresshormone aus, sagen Forscher*innen. Und dass sich Bewegung und frische Luft positiv auf das Immunsystem und unsere gesamte körperliche Verfassung auswirken, ist selbsterklärend. Den Wald mit allen Sinnen zu erleben, das ist auch das, was Katharina Raba in ihren Workshops erreichen möchte. Man wird in Kindheitstage zurückversetzt, an denen man der Natur oft noch verbundener war als heute im Alltagsstress zwischen Beruf und Familie. Wann hat man das letzte Mal an Moos und feuchtem Laub gerochen, die knorrige Rinde eines Baumes erfühlt, den kleinen Vogel auf einem Ast beobachtet, dem sanften Rauschen des Windes in den Blättern gelauscht oder ist barfuß über den Waldboden getapst?

Bild: Mara Kutzner

Achtsamkeitsschulungen im Wald
Bei ihren Workshops macht Katharina Raba mit ihren Teilnehmer*innen Übungen, die helfen sollen, ausgeglichener, achtsamer und bewusster mit sich und mit der Natur umzugehen. Sie lädt zu Wahrnehmungs- und Atemübungen, Meditationen, Entspannungsmethoden und zum Wandern in Stille ein. Ihre Touren bietet sie für Kleingruppen von circa vier bis sechs Teilnehmer*innen an. Zu ihrer Zielgruppe zählt sie nicht nur Menschen, die nach Ausgleich und Stessbewältigung suchen. Die Waldbaden-Touren können auch Burnout-Erkrankungen vorbeugen und ein Ausgleich zu Homeoffice oder für Alleinstehende sein. In gut zwei Stunden führt sie über einen Rundweg durch den Wald, macht Station an unterschiedlichsten Waldstücken, mal auf einer Lichtung, mal am Waldrand oder auf einem mit Moos bewachsenen Hügel. Beendet wird die Waldbadentour mit einem kleinen Waldpicknick mit Tee, selbstgemachtem Müsli und einer letzten Achtsamkeitsübung, bevor es für die Teilnehmer*innen wieder zurück in den trubeligen Alltag geht – nun aber sicherlich um einiges ausgeglichener, geerdeter und mit vielen Hilfsmitteln an der Hand, wie man Stress im Alltag bewältigen kann. Ein bewusster Spaziergang im Wald wird sicherlich helfen.