Zwischen 1450 und 1750 wurden in Europa tausende Menschen, darunter vorwiegend Frauen, wegen des Verbrechens der Hexerei vor Gericht gestellt. Etwa die Hälfte der Beschuldigten wurde hingerichtet, zumeist wurden die vermeintlichen Hexen auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Der Glaube an übernatürliche Wesen zieht sich weltübergreifend durch alle Kulturkreise und Zeiten hindurch. Bereits in den antiken Hochkulturen Ägyptens war man von der Existenz sogenannter Zwischenwesen überzeugt. Vermeintliche Hexen und Zauberer wurden schon damals mit dem Tod bestraft, zu gezielten Verfolgungen kam es damals aber noch nicht.
Im späten Mittelalter wurden Menschen wegen des Vorwurfs der Hexerei verurteilt und hingerichtet. Aber erst im 16. und 17. Jahrhundert erreichte die Hexenverfolgung ihren Höhenpunkt. Besonders in Mitteleuropa im „Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation“ war die Hexenverfolgung besonders ausgeprägt. Nach heutigen Schätzungen wurden insgesamt circa 100.000 Hexenprozesse geführt, bei denen zwischen 40.000 und 60.000 Menschen in Europa wegen des Verdachts der Hexerei verurteilt und anschließend getötet wurden.
Hexenprozesse in Nördlingen
In Nördlingen wurden zwischen 1589 und 1598 insgesamt 34 Frauen und ein Mann nach Hexenprozessen verbrannt. Im Lexikon zur Geschichte der Hexenverfolgung von Sonja Kinzler heißt es: „Man schenkte jetzt in Nördlingen offenbar den Unschuldsbeteuerungen der Angeklagten weniger Glauben als den Denunziationen, die zunehmend aus den – häufig erfolterten – Geständnissen von „Hexen“ hervorgingen. Für Nördlingen spielte die Position des im gesamten Verfolgungszeitraum amtierenden Bürgermeister, dem Schreinermeister und erklärten Hexenverfolger Johannes Pferinger, eine wichtige Rolle.“ Unterstützt wurde Bürgermeister Pferinger damals von den neu angestellten Ratsadvokaten Wolfgang Graf und Sebastian Röttinger und dem Stadtschreiber Paul Maier. Erstmals wurden im Mai 1590 die drei ersten Opfer verbrannt, darunter die sich selbst beschuldigende Fuhrmannstochter Ursula Haider, die Frau eines Rosshirten namens Margaretha Getzler und die ledige Bürgertochter und Hausiererin Maria Marb. Alle drei Frauen stammten aus einfachen Verhältnissen. Die Verbrennungen der verurteilen „Hexen“ fanden auf der Richtstätte am Galgenberg statt. Da dieser zur damaligen Zeit noch nicht bewaldet war, heißt es laut Überlieferungen, dass die Feuer im ganzen Ries zu sehen waren.
Die Hexe von Nördlingen - Maria Holl
Maria Holl war die Tochter des Ulmer Amtmanns Jörg Löhlin. Am 20. Mai 1586 wurde sie im Ulmer Münster mit dem aus Tiefenbach bei Illertissen stammenden Michael Holl verheiratet. Kurz nach der Hochzeit zog das frischvermählte Paar nach Nördlingen. Am 1. Juni 1586 kaufte Michael Holl die Gastherberge zur Goldenen Krone am Weinberg 8 in Nördlingen. Zum Verhör wegen des Verdachtes der Hexerei kam es ab dem 2. November 1593, als Holl verhaftet und ins Klösterle, dem Stadtgefängnis, transportiert wurde. Anschließend wurde sie der sogenannten peinlichen Befragung unterzogen, in dreizehn von achtzehn Verhören wurde Holl unmenschlich gefoltert. Insgesamt wurde die Tortur 62 Mal vollzogen, zweimal wurden Daumenschrauben angewandt und 26 Mal wurde sie mit dem Spanischen Stiefel gefoltert. 19 Mal wurde Holl am Strang aufgezogen, 15 Mal wurde sie auf die Hobelbank gelegt.
„Als sie sah, dass ihr auf kleine Geständnisse hin die Folterung nicht erspart blieb, widerrief sie und war zu keinem Geständnis mehr zu bewegen, obwohl sie im 14. Verhör siebenmal mit dem Stiefel und zehnmal auf der Bank, im 15. Verhör elfmal mit dem Stiefel gepeinigt wurde“, heißt es im Werk „Der Hexenprozess Maria Holl“ von Gloria Rüdel-Eschbauer aus dem Jahr 1998. Schließlich wurde Holl freigelassen, nachdem ihre Ulmer Verwandtschaft über die Gesandtschaften der beiden Städte am Regensburger Reichstag sich für sie einsetzte. Am 1. Oktober 1594 wurde Maria Holl unter ewigen Hausarrest gestellt. Um die Ehre des Rats durch diese Situation nicht zu belasten, legte man ihr nach einem von Röttinger und dem Augsburger Juristen Georg Tradel verfassten Rechtsgutachten einen Urfehdebrief zur Unterschrift vor. In diesem verpfl ichtete sich Holl, ihr Haus nicht mehr zu verlassen und sich an den Verfolgern nicht zu rächen. Als um das Jahr 1608 ihr Mann Michael starb, heiratete die Witwe im Jahr 1609 den Eisenhändler Georg Seng, der somit zum neuen Wirt der Goldenen Krone wurde. Nach drei gemeinsamen Ehejahren verstarb Seng und Maria wurde abermals zur Witwe. Da sie kinderlos war, verkaufte sie die Gastherberge an ihren Vetter. Mit stolzen 78 Jahren schloss Holl eine dritte Ehe mit Michael Han. Im Alter von 85 Jahren starb die wohl berühmteste „Hexe“ Nördlingens an einer Infektionskrankheit.