Mein Weg führt mich heute ins südliche Ries. Ich fahre von Nördlingen aus über Reimlingen vorbei an einigen Höfen und Weilern nach Hohenaltheim. Dort bin ich mit Bürgermeister Wulf-Dietrich Kavasch verabredet …
Hohenaltheim - Ich tre ffe Wulf-Dietrich Kavasch an seinem Wohnhaus in der Schulstraße. Er hat zu unserem Tre ffen auch Michaela Graf vom Dorfverein Hohenaltheim-Niederaltheim e. V. mitgebracht. Sie ist in einem historischen Gewand mit Ledergürtel gekleidet und trägt einen großen historischen Hut, denn als Erstes wollen wir uns das Areal anschauen, auf dem Anfang Juli das Historische Fest statt findet. Die Festwiese ist nur einen Katzensprung vom Wohnhaus des Bürgermeisters entfernt.
Die erste urkundliche Erwähnung Hohenaltheims lässt sich auf das Jahr 916 zurückdatieren. Damals fand in Hohenaltheim die Reichssynode statt. „Wahrscheinlich ist Hohenaltheim noch älter , vermutet Wulf-Dietrich Kavasch, „sonst hätte sie ja hier nicht stattgefunden, wenn es hier nichts gegeben hätte. Bei der Reichssynode von Hohenaltheim versammelten sich die deutschen Bischöfe auf die Einladung König Konrad I., um das Königtum zu stärken. Insbesondere ging es um die bischö ffliche Autorität und ihren Vorrang vor der weltlichen Gewalt. Ungeklärt ist bislang, warum ausgerechnet Hohenaltheim für die Reichssynode ausgewählt wurde. Wahrscheinlich, weil hier die Grenzen von Schwaben, Bayern und Franken zusammenstoßen.Die mehr als 1100-jährige Geschichte ist für die Hohen- und Niederaltheimer Grund genug, das Jubiläum mit einem ganzen Festjahr zu feiern. Eingebettet in die Rieser Kulturtage finden wissenschaftliche Vorträge, Konzerte und Führungen in Hohenaltheim statt. Seinen Höhepunkt erreicht das Festjahr vom 08. bis zum 10. Juli. Dann wird das Historische Fest in Hohenaltheim statt finden.Der Dorfverein Hohenaltheim-Niederaltheim plant ein Mittelalterspektakel mit historischem Markt, Ausschank von Met und vielen Gästen in historischen Gewändern.Früher war auf dem Gelände einmal das Schulhaus untergebracht, das Gebäude wird nun aber als Flohmarkt genutzt. Auf zwei Etagen hat der Dorfverein Flohmarktartikel von Antiquitäten über Bücher, Geschirr und Spielzeug gesammelt und verkauft die Schätze zweimal im Jahr bei einem ö ffentlichen Flohmarkt. „12.000 Euro wurden in diesem Jahr von Dorfverein durch den Flohmarkverkauf schon eingenommen, so finanzieren wir unser Historisches Fest , berichten Michaela Graf und Wulf Dietrich-Kavasch.
Das Fest wird rein ehrenamtlich und freiwillig organisiert. Rund 10 Mann, die Vereine und die Feuerwehr arbeiten schon seit Frühsommer auf Hochtouren. Die Fäden laufen aber alle bei Michaela Graf zusammen. Sie ist begeisterter Mittelalterfan und das Historische Fest in Hohenaltheim ist nicht das erste historische Spektakel mit ihr.
Für den weiteren Spaziergang durch Hohenaltheim verlässt uns Michaela Graf wieder und ich mache mich mit dem Bürgermeister weiter auf den Weg. Wir stehen nun wieder direkt vor seinem Wohnhaus. Bevor die Schule weiter oben auf der Wiese genutzt wurde, war sie in dem Wohnhaus von Wulf-Dietrich Kavasch und seiner Frau untergebracht. „Das Haus ist aus der Mitte des 19. Jahrhunderts und wir haben es vor 40 Jahren gekau ft , erklärt mir der Bürgermeister. Ich blicke in den Garten und entdecke wunderbare Blumen und die Gänse, die frei auf der Wiese des Bürgermeisters und Tierarztes laufen. „Mein Lieblingsplatz hier in Hohenaltheim ist mein Garten , stellt Wulf-Dietrich Kavasch fest, und das glaube ich ihm gerne. Gegenüber seines Hauses zeigt mir Herr Kavasch ein weiteres Gebäude. Der Zehentstadel ist ein stattlicher Bau mit Satteldach aus der ersten Häl fte des 18. Jahrhunderts. „Auch dieses Gebäude habe ich gekauft , man müsste es renovieren, leider ist das sehr teuer , berichtet Wulf-Dietrich Kavasch.
Wir gehen weiter den Berg der Schulstraße hoch und biegen bei einer alten Mauer links Richtung Straußenhof ein. „Die alte Mauer hat früher den Straußenhof umzäunt. Der Hof ist circa aus dem 10. oder 9. Jahrhundert und war im Frühmittelalter in Königsbesitz , erklärt mir der Bürgermeister. Vor einigen Jahren gab es unter dem großen Kastanienbaum auf dem Straußenhof einen Biergarten. Leider, wie der Bürgermeister findet, wird dieser zurzeit nicht mehr betrieben. Gegenüber vom Straußenhof auf einem Hügel setzen wir uns kurz für eine Verschnaufpause auf die Bank vor dem evangelischen Gemeindehaus, dem Matthias-Pauli-Haus. Das Haus wurde dem Pfarrer Matthias Pauli gewidmet, der im 30-Jährigen Krieg einer der letzten Hohenaltheimer im Dorf war. Von der Bank haben wir einen schönen Blick auf die evangelische Kirche St. Johannes der Täufer. Wulf-Dietrich Kavasch erzählt mir eine Menge über die Geschichte Hohenaltheims und die Reichssynode 916: „Wahrscheinlich fand die Reichssynode hier statt, weil es hier einen königlichen Besitz gab. Die kleinen Häuschen im Dorf waren durch die Lage am Berg und die Mauer mit Wehrgang gut abgesichert und gut zu verteidigen.
Nach unserer kleinen Pause macht mich der Bürgermeister erneut neugierig. Er will mir die
Thingstätte zeigen.
Etwas weiter oben an der Straße nach steht auf einem Grashügel eine Linde. Im Schatten der Linde sind neun von ehemals zwölf stark verwitterten Steinen zu finden. Sie sind die Reste eines ehemaligen Gerichtssitzes aus dem Mittelalter. Die Gerichtsstätte ist wohl das einzige erhaltene Element solcher Art im Ries. Die alte Thinglinde wurde mittlerweile durch eine Neup flanzung ersetzt, die Steine sind noch original. Mich fasziniert der Gedanke, dass genau hier, wo ich jetzt stehe, im Mittelalter Recht gesprochen wurde und die Richter auf den gleichen Steinen saßen, die ich mir gerade ansehe.
Aber Bürgermeister Kavasch hat schon den nächsten Geheimtipp für mich auf Lager. „Kommen Sie mal hier her, hier hat man die beste Sicht auf das Schloss Hohenaltheim, ru ft er mich. Ich gehe über eine kleine Wiese an einen Holzzaun und tatsächlich, von hier oben blicke ich direkt auf den ständigen Wohnsitz S. D. Fürst Moritz zu Oettingen-Wallerstein. Hier war 1777 sogar schon der junge Mozart als Hofmusiker zu Gast, viel später 1954 auch der ehemalige Bundespräsident Theodor Heuss. „Wenn die Fahne wie jetzt weht, sieht man, dass der Fürst zu Hause ist , erklärt mir Wulf-Dietrich Kavasch. Unser Spaziergang führt uns auf einem Weg um die Kirche herum und über den Beckenberg, vorbei an kleinen Söldnerhäuschen hinunter zur Hauptstraße.
„Wir schauen mal, ob Herr Pfister zu Hause ist“, schlägt der Bürgermeister vor und läuft mit mir über einen Hof in der Hauptstraße. „Herr P fister und seine Frau haben ein
Bauernmuseum, das müssen Sie sehen“ , so Hohenaltheims Gemeideoberhaupt. Hans P fister ö ffnet uns die Haustür und freut sich über den spontanen Besuch. Er führt uns über eine Treppe in ein Nebengebäude und ich staune nicht schlecht, was Hans und Hella P fister über Jahrzehnte auf mehreren
Etagen und im alten Stall angesammelt haben: Wohn- und Schlafräume aus alten Bauernhäusern, alte Nähmaschinen, Koch- und Brotbackutensilien und eine Scheune voll mit landwirtschaftlichen Geräten, Kutschen und Gefährten aus alten Zeiten. Nach unserem kurzen Besuch im Museum verabschieden und bedanken wir uns bei Hans Pfister und laufen die Hauptstraße in Richtung Süden weiter.
Wir kommen an einer alten Wagnerei vorbei, die zum historischen Fest wieder in Betrieb gehen soll und laufen zur Alten Schmiede, wo ebenfalls am Festwochenende ein Schmied und seine Frau ihr altes Handwerk zeigen wollen. Wir machen uns nun wieder auf dem Weg zurück zum Wohnhaus des Bürgermeisters, denn er will mich noch auf eine kleine Rundfahrt ins Umland von Hohenaltheim einladen. Zuerst geht es in den Ortsteil Niederaltheim. Wir fahren am alten Amtshaus vorbei und Wulf-Dietrich Kavasch zeigt mir einen Gedenkstein. „1899 gab es hier einen großen Ortsbrand. Deswegen sehen die meisten Bauernhäuser hier sehr ähnlich aus, weil sie schnell wieder aufgebaut wurden. Leider stehen hier aber einige Anwesen leer , erklärt mir mein Begleiter. Wulf-Dietrich Kavasch biegt dann in den Attenbühlweg ein und zeigt mir das Feuerwehrhaus und den Versammlungsort der Niederaltheimer.
Anschließend fahren wir wieder durch Hohenaltheim hindurch und dann in einen Wald. Der Bürgermeister hat mir schon vorher vom sogenannten „Freile“ oder
„Fräulein“ erzählt und ich bin nun wirklich gespannt, was es mit diesem auf sich hat. Wir fahren auf dem Waldweg entlang dem Ursprungsbach zu einem Quellweiher und schließlich zur Quelle. Die Quelle wurde 1805 auf Geheiß von Fürstin Wilhelmine Friederike zu Oettingen-Wallerstein, die wohl an der Quelle einen Ort zur Meditation und Ruhe fand, in einen runden Mauerbogen gefasst und bildet seitdem eine Grotte, in der die lebensgroße Figur eines Mädchens sitzt. „Normalerweise ist das der Spaziergang mit unserer Hündin“ , erzählt Herr Kavasch, aus Zeitgründen machen wir uns aber mit dem Auto weiter auf dem Weg. Wir fahren an einer Wiese mit Apfelbäumen vorbei und kommen zum
Karlshof, einem ehemaligen Gutshof. Auf dem Hügel oberhalb des Karlshofs liegt die
Burgruine Hochaus, nicht zu verwechseln mit der gut sichtbaren Ruine Niederhaus bei Hürnheim. Von der Straße aus kann ich die verfallen Mauern zwischen den Bäumen gar nicht entdecken. Wulf-Dietrich Kavasch zeigt mir aber einen Pfad, über den man zu Fuß zur Ruine gelangt. Ich habe also einen guten Grund, bald wieder nach Hohenaltheim zu kommen und mir die Ruine anzusehen. Außerdem freue ich mich schon sehr auf das Historische Fest, dem ich sicherlich auch einen Besuch abstatten werde.