Eigentlich befand sich Roland Kiechle einmal auf einem ganz anderen Weg. Nach seinem Technomathematik-Studium in München, arbeitete er vier Jahre zufrieden bei einem Maschinenbauunternehmen nahe seinem Heimatort Wildpoldsried, führte eine Beziehung und war mit seinem Leben auch sonst glücklich. Dennoch war da etwas, das ihn nie losließ, ein Gedanke in seinem Hinterkopf: Priester werden.
„Ich glaube, dass Gott mich irgendwie gerufen hat“, sagt Kiechle heute. Ganz aus heiterem Himmel kam der Entschluss freilich nicht: Der Kirche und dem Glauben stand er immer schon nahe, besonders sein Gemeindepfarrer in der Kindheit hat ihn nachhaltig beeindruckt. Tragisch war der Unfalltod des Pfarrers, der den damals 17-jährigen Roland Kiechle schwer traf, ihm aber auch zeigte, wie ein Mensch selbst nach seinem Tod positiv wirken kann. Der Gedanke im Hinterkopf wurde schließlich in die Tat umgesetzt.
Interessante Reaktionen auf die Entscheidung
Innerhalb der Kirche hatte Kiechle immer schon viele Freunde, die ihn dann auch in seiner Entscheidung für das Priestertum unterstützt haben. Über die Reaktionen im restlichen Freundeskreis und am Arbeitsplatz machte er sich viele Gedanken und war überrascht, wie viel Respekt er für seinen Entschluss bekam. „Manche Reaktionen waren auch witzig. Ob ich jeden Sonntag in die Kirche müsse, wurde ich sogar gefragt“, schmunzelt Kiechle.
Seit er seinen Weg zum Priester geht, wird Kiechle auch häufig von seinen Mitmenschen überrascht: Sie vertrauen sich ihm an, oft mit sehr privaten Angelegenheiten. „Es kommen Leute auf einen zu, von denen man es nie erwartet hätte“, erzählt der Pastoralpraktikant. Daraus resultieren tiefgreifende Gespräche, in denen Kiechle versucht, den Menschen Kraft zu geben: „Das ist eine krasse Herausforderung.“
So wird man katholischer Priester
Der Weg zum Pfarrer begann für Kiechle mit dem Eintritt ins Priesterseminar in Augsburg, wo er fünf Jahre lang Theologie studierte. Sein Auslandsjahr verbrachte er in Rom. Das zweijährige Pastoralpraktikum in Nördlingen ist jetzt der nächste Schritt. Auch wenn seine bisherige Zeit im Ries sehr von der Corona-Pandemie geprägt gewesen sei, habe er seinen Aufenthalt in Nördlingen sehr genossen, berichtet Kiechle.
Das junge Team um Pfarrer Benjamin Beck und Kaplan Richard Hörmann schätzt er sehr: „Ich bin sehr gerne da“, so der Pastoralpraktikant. Seine Aufgaben in der Pfarreiengemeinschaft sind dreigeteilt: Erstens begleitet er Pfarrer Beck bei verschiedenen Gelegenheiten und erfährt so, was es heißt, ein Gemeindepfarrer zu sein. Zweitens lernt er mittels eines Mentors, Religion in der Grund- und Mittelschule zu unterrichten. Drittens bereitet sich Kiechle auf die nächsten Meilensteine seines Wegs zum Priester vor: die Diakonenweihe und später die Priesterweihe. Nach der Diakonenweihe, die für den Allgäuer am 1. Mai in Augsburg stattfand, darf Kiechle taufen, trauen und beerdigen. Spirituell gesehen ist das der Punkt, an dem der Priester in spe ganz in die Nachfolge Jesu Christi eintritt. Dabei wird auch das Zölibatversprechen abgelegt. Ein Jahr später, im Juni 2022, wird Kiechle dann im Augsburger Dom zum Priester geweiht. Dann darf er die Heilige Messe feiern und die Sakramente spenden. „Man handelt dann in persona Christi“, erklärt der Pastoralpraktikant.
Besonders freut sich Kiechle auf die Primiz in seiner Heimatgemeinde Wildpoldsried, die erste von ihm gehaltene Messe, die eine Woche nach der Priesterweihe stattfinden soll: „Dabei ist das ganze Dorf auf den Beinen.“ Im Anschluss verbringt der frischgeweihte Priester zweimal zwei Jahre als Kaplan in zwei Gemeinden, wo er jeweils einen Pfarrer unterstützen wird, bevor er seine eigene Gemeinde bekommt.
Kiechle will positive Gotteserfahrung weitergeben
Der Lebensweg, den Roland Kiechle eingeschlagen hat, ist sicherlich nicht alltäglich. In Zeiten, in denen die Katholische Kirche vom Missbrauchsskandal erschüttert wird und Auseinandersetzungen zwischen deutschen Bischöfen und dem Vatikan für Schlagzeilen sorgen, ist die Entscheidung Priester zu werden bemerkenswert. Während Kiechle sich zwar mit diesen Themen beschäftigt und darüber nachdenkt, steht für ihn am Ende jedoch der praktizierte Glaube im Vordergrund. „Ich will den Menschen von Jesus Christus erzählen“, sagt der Allgäuer. Die Erfahrungen, die er gemacht hat, wolle er an andere weitergeben und damit ein positives Gottesbild vermitteln, das einem persönlich hilft. Ein Gott, der für einen da ist und ganz real im Leben spürbar sein kann. Der frühere Naturwissenschaftler ist überzeugt: „Die Begegnung mit Jesus Christus ist das beste, das einem Menschen im Leben passieren kann.“