Im aktuellen blättle (Ausgabe Mai/Juni 2017) beschäftigen wir uns im Titelthema mit dem Thema Gesundheit und Gesundheitsstandort Donau-Ries. Dazu gehört natürlich auch die Krankenversicherung. Wir haben mit dem Geschäftsstellenleiter der AOK Donauwörth, Johannes Hiller, unter anderem auch über die Zukunftspläne der Gesundheitskasse gesprochen.
In Deutschland gibt es zwei Versicherungsmodelle: Die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) und die private Krankenversicherung (PKV). Rund 90 Prozent aller Versicherten sind über die GKV versichert, sei es als Angestellte über den Arbeitgeber oder in der freiwilligen gesetzlichen Krankenversicherung. Im Landkreis Donau-Ries sind die meisten gesetzlich Versicherten über die AOK versichert, aktuell zählt die AOK in Donau-Ries rund 70 000 Versicherte.
DRA: Herr Hiller, wie haben sich in den letzten Jahrzehnten die Bedürfnisse der Versicherten verändert?
JH: Das Bedürfnis, möglichst lange gesund zu bleiben ist größer geworden und damit auch die Bereitschaft, etwas für die Gesundheit zu tun.
DRA: Die meisten gesetzlich Versicherten wissen nicht, was die Leistungen, die sie in Anspruch nehmen kosten - im Gegensatz zur privaten Krankenversicherung. Viele sehen nur, was ihre gesetzliche Kasse nicht übernimmt. Warum ist das so und sollte man es nicht ändern?
JH: Die gesetzliche Krankenversicherung arbeitet nach dem Sachleistungsverfahren, was bedeutet, dass die Krankenkassen Leistungen direkt an den behandelnden Artz, das Krankenhaus, den Therapeuten, usw. bezahlen. So muss sich der Patient nicht vorher um die Finanzierung kümmern, wie es in manch anderen Ländern der Fall ist. Jeder Patient kann sich die Kosten für seine Behandlung auf Wunsch für einen Unkostenbeitrag von einem Euro vom Arzt auflisten lassen. Auch von der Krankenkasse können Versicherte eine Jahresübersicht der bezahlten Kosten anfordern. Im Prinzip kann sich also jeder über die Kosten informieren, nur tun es meiner Erfahrung nach relativ wenig Menschen.
DRA: Ich frage stellvertretend einfach mal nach: Was kostet zum Beispiel eine durchschnittliche Blinddarm- oder eine standartmäßige Bypass-OP - wenn man mal ohne Komplikationen ausgeht?
JH: Eine Blinddarm-OP kostet 2 804 Euro und eine Bypass-OP liegt bei 18 123 Euro. Allerdings kommt bei der Herz-OP noch eine anschließende Reha-Maßnahme von zusätzlich 2 400 Euro hinzu.
DRA: Bei weitem die meisten Versicherten sind gesetzlich versichert. Dennoch hält sich hartnäckig das Vorurteil, privat Versicherte hätten die bessere Versorgung oder auch die kürzeren Wartezeiten. Was setzen Sie dagegen?
JH: Die gesetzlich Versicherten haben die breitere Versorgung. Sie erhalten in vielen Bereichen umfassendere Leistungen als privat Versicherte, z. B. bei der Vorsorge, bei der Rehabilitation und teilweise auch bei Hilfsmitteln. Bei den Wartezeiten bestehen bei den meisten Praxen keine nennenswerten Unterschiede. Sofern uns Einzelfälle gemeldet werden, sprechen wir die Praxisinhaber darauf an. Eklatante Verstöße greift die Kassenärztliche Vereinigung auf und leitet Disziplinarverfahren ein, die im Extremfalls bis zum Entzug der Zulassung als Vertragsarzt gehen können.
DRA: Bei der gesetzlichen Krankenversicherung wird gerne kritisiert, dass genau zu dem Zeitpunkt, wenn der Mensch älter wird und in Rente geht, seine Beiträge sinken, während er meist mehr Leistungen in Anspruch nimmt. Es gilt also der sogenannte Generationenvertrag: Die Jüngeren zahlen für die Älteren. Ist dies im Hinblick auf eine alternde Gesellschaft noch zeitgemäß? Oder wäre hier auch aus Ihrer Sicht eine Reform notwendig?
JH: Der Generationenvertrag und das Solidarprinzip bewähren sich seit über 130 Jahren. Es gilt auch nicht nur jung für alt sondern auch gesund für krank und reich für arm. Der Vorteil besteht darin, dass jeder Versicherte im Umlageverfahren prozentual gleich viel von seinem Einkommen als Solidarbeitrag einbringt und jeder Versicherte Anspruch auf den gesamten Leistungskatalog hat. Dieses Umlagesystem ist zudem krisensicher. Einen Reformbedarf sehe ich allerdings doch: Seit 2005 werden Arbeitnehmer stärker an der Umlage beteiligt als Arbeitgeber. Diese höhere , Belastung wächst seit 2011, da der Finanzierungsanteil der Arbeitgeber bei 7,3 Prozentpunkten festgeschrieben wurde. Die über die allgemeine Lohnentwicklung hinausgehenden Ausgabenzuwächse durch den medizinisch-technischen Fortschritt und die älter werdende Gesellschaft haben derzeit einseitig die Versicherten zu finanzieren. Hier besteht meiner Meinung nach ein Reformbedarf, um die Finanzierungslast wieder gleichmäßiger auf Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu verteilen. Bei der privaten Krankenversicherung gilt zum einen das risikoreichere Kapitaldeckungsverfahren. Auch wird für jeden Versicherten das Krankheitsrisiko eingestuft und demnach wird er finanziell belastet. Wer ein höheres Krankheitsrisiko mitbringt, zahlt auch mehr.
DRA: Laut Zukunftsforschung wird die Gesundheit für den Menschen immer wichtiger. Was sind die Herausforderungen, die auf die AOK in diesem Zusammenhang zukommen?
JH: Im Wesentlichen die Weiterentwicklung der Präventionsangebote soie der Ausbau der Versorgungsqualität und die Finanzierung des medizinisch-technischen Fortschritts. Außerdem ist es gerade im Hinblick auf unseren Landkreis wichtig, dass die Versicherten die von uns angebotenen Leistungen auch vor Ort in Anspruch nehmen können. Flächendeckende Behandlungsangebote sind gerade im ländlichen Raum keine Selbstverständlichkeit, daher kümmern wir uns im Landkreis ständig um die Verbesserung der Versorgungsstruktur. Dies tun wir in enger Zusammenarbeit mit den Ärzten, den Kliniken und in den Entscheidungsgremien sowie auf der politischen Ebene.
Neben den Leistungsangeboten der Krankenkassen und der Hilfe durch Ärzte nutzen zahlreiche Patienten, gerade im chronischen Bereich, die Hilfe zur Selbsthilfe. Welche Angebote es hierzu im Landkreis gibt, erfahrt ihr im nächsten und letzen Teil dieser Serie.