Die Geschichte des Stabenfestes beginnt im Jahr 1406, im Spätmittelalter. Da heißt es in einem Rechnungsbuch der Stadtkammer, dass den Nördlinger Bürgerstöchtern je ein Pfund zu ihrem „Rayentag“ geschenkt wurde. „Rayen“ bezeichnet dabei den Reigen oder Tanz. Das Stabenfest, wie man es heute kennt, war damit wohl noch nicht gemeint, der Begriff „Stabenfest“ ist erstmals in einem Ratsprotokoll im Jahr 1659 belegt. An anderer Stelle ist bereits 1519 von einem „in die Ruten gehen“ die Rede.
Woher kommt der Ausdruck „Staben“? Im Buch „Kinder, lasst die Schule sein!“, das anlässlich des 600-jährigenJubiläums des Festes 2006 von Carl Völkl, Wilfried Sponsel und Rüdiger Wagner herausgegeben wurde, heißt es, dass der Begriff von den mit Blumen und bunten Bändern geschmückten Stäben herrührt, die die Jungen damals schon trugen. Bekanntlich haben die Kinder beim Stabenumzug auch heute noch diese Stäbe bzw. Fahnen dabei. Ebenfalls gleich geblieben ist das Ziel des Umzugs: die Kaiserwiese.
Volksfest für Jung und Alt
Im 19. Jahrhundert, als Nördlingen bereits bayerisch war, entwickelte sich das Stabenfest zum Volksfest. Für diese Zeit ist auch erstmals ein eigenes „Stabenlied“ belegt, das für das Fest komponiert wurde. Laut dem Chronisten Gottfried Sylvester Ammerbacher ging es darin um die Pracht der Natur, auch „Nun danket alle Gott“ wurde bereits 1818 gesungen. Ein Lied mit direktem Bezug zum Stabenfest gab es bereits 1886, mit dem Titel „Wer wollte heut nicht mit uns ziehen auf unsre liebe Kaiserwies“. Weitere liebgewonnene Teile des modernen Stabenfestes sind ebenfalls bereits für das 19. Jahrhundert bezeugt: Die Tüten mit Süßigkeiten, die die Kinder zum Fest geschenkt bekamen, erwähnt Chronist Ammerbacher schon 1823. Ihren Namen „Stabengucken“ bzw. „Stabengucker“ erhielten sie jedoch erst später. Ebenfalls im 19. Jahrhundert bekannt waren die „Stabenwürste“, auch heute noch das kulinarische Highlight der Nördlinger Traditionsveranstaltung. Die Karussells auf der Kaiserwiese gab es genauso wie den Stabenbaum, an dem die Buben hochkletterten und so Preise vom Kranz ergattern konnten.
Das Stabenfest vor den Weltkriegen
Von 1915 bis 1919 musste das Fest wegen des Ersten Weltkriegs entfallen. Erst 1920 konnte es wieder gefeiert werden. Ein besonders schönes Fest wurde 1924 gefeiert, als das bunte Treiben erstmals in einem Film festgehalten wurde. 1380 Schülerinnen und Schüler nahmen damals am Umzug teil, alle erhielten je ein von Nördlinger Bürgern gestiftetes Geschenk, darunter Esswaren, Bücher, Kleidung und 22 lebende Tiere. Obwohl die Zeiten in den 30er-Jahren des 20. Jahrhunderts härter wurden, ließen sich die Nördlinger die Lust am Stabenfest nicht nehmen. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten aber ändert sich das Bild der Veranstaltung. Unter die bunten Fahnen und Blumenkränze mischen sich 1933 erstmals Hakenkreuze und Uniformen, die Nazionalsozialisten missbrauchten das Fest für ihre Ideologie. Trotz immer schlechterwerdender konjunktureller Lage wird in den folgenden Jahren fleißig weiter gefeiert, zuletzt völlig verregnet im Jahr 1939. Dann begann der Zweite Weltkrieg, während dem für ein Kinderfest keine Zeit war.
Das erste Stabenfest nach dem Zweiten Weltkrieg fand 1949 statt. Circa 3000 Kinder und Jugendliche sind hellauf begeistert und beim Fest dabei. Die von den Nazis aufgelöste Knabenkapelle spielte wieder und die Schulklassen präsentierten Nördlingen beim Umzug als Handwerkerstadt. Auf der Kaiserwiese warteten Kasperltheater, Schiffschaukel, Kinderkarussell und mehr auf die Kinder, während Erwachsene sich auf das erste Starkbier nach langen Jahren der Entbehrung freuten. Seither begleitet das Stabenfest Nördlingen und das Ries Jahr für Jahr. Und auch wenn einmal die Fahnen am Stabenmontag nicht draußen am Daniel hängen und der Umzug ausfällt, so gibt es doch immer wieder ein nächstes Jahr, auf das sich Kinder und Erwachsene gleichermaßen freuen können. 2021 kehrt die Traditionsveranstaltung zurück, und mit demm neuen Konzept bleibt das Stabenfest hoffentlich auch in Zukunft ein fester Teil der Nördlinger Geschichte.