Der Spaziergang beginnt direkt im Büro, dort holt uns unser Stadtführer Wolfgang Köster ab. Er kommt nicht allein, sondern hat seine Stadtführerkollegen Gabi Steger und Dieter Thiel mit dabei. Da dieser Termin nicht nur für uns, sondern auch für die Harburger Stadtführer ein besonderer ist, soll er auch gleich für einen Fototermin mit der Harburg im Hintergrund genutzt werden. Außerdem befindet sich unser Büro genau dort, wo auch sonst die historischen Stadtführungen beginnen: An der Steinernen Brücke (1). Bis zum Bau der neuen Brücke an der südlichen Stadteinfahrt führte der gesamte Verkehr in Richtung Wemding über eben diese Brücke. Begibt man sich auf die Brücke, steht man auch fast schon im Büro von Donau-Ries-Aktuell: Unser Zuhause ist das Nebengebäude der Bruckmühle (2). Dort, wo heute die Inhalte für das blättle entstehen, befand sich früher eine Sägerei. Die Bruckmühle selbst wird bereits 1461 als Mahl- und Walkmühle zum ersten Mal erwähnt. Wir treten aus dem Schatten der Mühle heraus und gehen die ersten Meter über die Steinerne Brücke. Von hier aus hat man den besten Blick auf die Harburg, das Wahrzeichen, das der Stadt ihren Namen gegeben hat. Erhaben thront sie auf dem Fels. Was die Mauern der Burg alles erlebt haben, lässt sich nur erahnen. Aber auch nach all den Jahrhunderten wacht sie immer noch über die Stadt. Kurz lassen wir das alles auf uns wirken.
Jeden Tag arbeiten wir hier, aber Zeit, den tollen Ausblick zu genießen und alles genau zu betrachten, bleibt dabei selten. Umso schöner ist es, dass wir es heute mit dem gesamten Team erleben dürfen.
Ein paar Meter weiter gehen wir durch einen Tunnel, der direkt unter der evangelischen Kirche St. Barbara (8) hindurchführt. „Der Tunnel musste genau an dieser Stelle sein, weil es ein Hochwasserweg ist. Überall in Harburg finden sich solche Wege auch auf vielen Privatgrundstücken. Sie verlaufen parallel zur großen Straße, die durch Harburg führt. Auf diesen Grundstücken ist seit langer Zeit ein Niesbrauch eingetragen. Bei Hochwasser müssen die Besitzer der Grundstücke dann dafür sorgen, dass die Wege frei sind. Dort wo jetzt die Kirche steht, stand seit 1420 die Kapelle St. Barbara. Nachdem die Kapelle zu klein geworden war, wurde 1612 an der gleichen Stelle und in nur einem Jahr die Kirche St. Barbara erbaut. Die Kirche ist einschiffig und aus Traß und Bruchstein aufgemauert. Der Turm der Kirche ist in den Fels gebaut. Wir setzten unseren Weg fort. Während wir den Tunnel passieren, erzählt uns Wolfgang Köster eine kleine Anekdote aus seiner Jugend: „Es war eine Art Mutprobe mit dem Auto im zweiten Gang durch den engen Tunnel zu fahren. Bei mir hat es geklappt, allerdings musste ich der Kirche ein neues Fallrohr für die Regenrinne spendieren. Einen neuen Kotflügel brauchte ich auch." Wir gehen weiter in Richtung Stadtzentrum. Dabei passieren wir das Rathaus (9) und erreichen den malerischen Harburger Marktplatz (10). Auf diesem steht der Marktplatzbrunnen, der 1893 vom Verschönerungsverein im oberen Teil des Marktplatzes errichtet wurde. 1931 musste er allerdings dem Verkehr weichen. Im Rahmen der Altstadtsanierung wurde der Brunnen 1997 wieder errichtet. Auf dem Brunnen sind neben der letzten Hinrichtung in Harburg auch der Besuch des Kaisers und die drei Sagen, die sich um Harburg ranken, dargestellt. Bevor wir mehr über die Geschichte Harburgs erfahren, legen wir eine kurze Eispause am Marktplatzbrunnen ein. Vom Marktplatz aus hat man einen schönen Blick auf das Rathaus. „Das Rathaus ist ein typisches Fachwerkhaus mit einem Giebel, der der Straße zugewandt ist", erzählt uns Wolfgang Köster. Nur noch der vordere Teil des schlank aufragenden Gebäudes ist der Originalbau. Der hintere Teil wurde diesem nachempfunden. „Die Glocke auf dem Rathaus ist die sogenannte Blutglocke. Wenn ein Todesurteil gesprochen wurde, wurde das durch das Läuten der Glocke bekanntgegeben", erzählt Wolfgang Köster und ergänzt: „Hinrichtungen waren damals ein großes Ereignis und wurden öffentlich vollzogen. Zwischen 1648 und 1809 gab es alle 20–25 Jahre eine Hinrichtung. 1809 dann die Letzte."
Wir gehen ein Stück weiter und biegen rechts in die Judengasse (11) ein. Von hier aus kann man bereits einen Blick auf die die Harburger Synagoge (12) erhaschen. Bereits im Mittelalter lebten Juden in Harburg. Die Entstehung der neuzeitlichen jüdischen Gemeinde geht allerdings auf das 17. Jahrhundert zurück. Die Zahl der jüdischen Einwohner erreichte ihren Höchststand Mitte des 18. Jahrhunderts. „Zu dieser Zeit lebten 800 Protestanten, 386 Juden und wenige Katholiken in der Stadt", informiert uns unser Stadtführer. Wir gehen weiter durch die Judengasse und erreichen die ehemalige Synagoge (12) in der Egelseestraße. Neben der Synagoge hatte die jüdische Gemeinde auch eine jüdische Schule in der Egelseestraße 15 und ein rituelles Bad, eine sogenannte Mikwe, im Untergeschoss des heutigen Hertle-Hauses. Alles in unmittelbarer Nähe zueinander. „Die Juden schufen sich ihre eigene Infrastruktur, weil sie zu dieser Zeit kaum bis gar nicht am gesellschaftlichen Leben teilnehmen durften. Erst im Laufe der Zeit normalisierte sich das mehr oder weniger. Obwohl 1937 bereits keine Juden mehr in Harburg lebten, wurde das Gebäude in der Reichskristallnacht beschädigt", so Köster. Heute befindet sich das Gebäude in Privatbesitz und kann nicht besichtigt werden. „Wer aber eine tolle Synagoge im Landkreis besichtigen möchte, sollte sich die Synagoge in Hainsfarth anschauen", rät uns unser Stadtführer.
An der Synagoge endet die kurzweilige und vor allem interessante Stadtführung. Gemeinsam machen wir uns auf den Weg zurück zum Büro. Wir gehen durch die Egelseestraße zurück in Richtung der Steinernen Brücke, überqueren diese und erreichen schließlich wieder unser Redaktionsbüro. Nachdem wir uns für die großartige Stadtführung bedankt haben, verabschieden wir uns von Wolfgang Köster – und machen uns wieder an die Arbeit.
Info
Harburg Steckbrief:
Bürgermeister: Wolfgang Kilian
Fläche: 73,16 km2
Einwohner: 5463 (31. Dez. 2015)
Verwaltung: Schloßstraße 1 86655 Harburg (Schwaben)
Webpräsenz: www.stadt-harburg-schwaben.de
DIE HARBURGER STADTFÜHRER Seit dem Frühjahr 2013 sind die Stadtführer auf Initiative von Bürgermeister Wolfgang Kilian in Harburg unterwegs. Ausgebildet wurden sie hierfür von einem der Autoren der Harburger Hefte, Fritz Leimer aus Ronheim. Auf Wunsch gibt es auch Führungen zu bestimmten Themen wie zum Beispiel dem Judentum oder Brauereien. Ein weiteres Highlight ist die geführte Wanderung rund um Harburg mit Einkehr. Diese führt beispielsweise über Brünsee, Ebermergen, Mauren, Eisbrunn, den Judenfriedhof, das Römerbad Großsorheim und Ronheim. Diese Tour wird nach individueller Absprache mit den Interessenten durchgeführt.[/box]