Ein generelles gleichberechtigtes Zugangsrecht zu allen Lebensbereichen, auch zur Bildung, das ist einer der Eckpfeiler, wenn Inklusion irgendwann selbstverständlich sein soll. So früh wie möglich müsste dieser barrierefreie Zugang zur Bildung dann eigentlich stattfinden. Aber wie passen dann Fördereinrichtungen wie die Hermann-Keßler-Schule (HKS) in Möttingen in die Inklusionsdebatte? Hier wird nicht inklusiv beschult, sondern hier werden Kinder mit Behinderung spezifisch gefördert. Dass genau das den Grundstein für ein möglichst selbstbestimmtes Leben legen kann, erklärt Gabriele Allgayer-Pfaff die Direktorin der Schule.
Möttingen - Die Hermann-Keßler-Schule in Möttingen ist ein Lern- und Lebensraum für Kinder- und Jugendliche mit hohem Förder- bedarf. Neben der Schule, in der Kinder und Jugendliche im Alter von 3 bis 19 Jahren betreut werden, gehören auch die Heilpädagogische Tagesstätte und die Schulvorbereitende Einrichtung (SVE) zur Einrichtung. „Wir sehen es als unseren Kernauftrag an, die Kinder und Jugendlichen im Rahmen ihrer individuellen Möglichkeiten auf ein möglichst selbstständiges Leben vorzubereiten. Wir arbeiten ressourcenorientiert und individualisiert, sodass sich persönliche Stärken entwickeln können und so viel Hilfe und Unterstützung wie nötig angeboten wird. Unsere Fördereinrichtung ermöglicht somit ein Erlernen, Weiterentwickeln und auch Erproben der persönlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten in einem gewissen Schonraum. Aber natürlich ist die Welt kein „Schonraum“ – daher ist es ein wichtiger Bestandteil aller Bildungs- und Freizeitangebote hier im Haus, verschiedenste Erfahrungen und Begegnungen auch außerhalb der Hermann-Keßler- Schule zu ermöglichen. Und hier möchte ich betonen, dass Inklusion nicht nur eine Aufgabe der Schulen ist, sondern ein gesamtgesellschaftlicher Auftrag und eine Frage der inneren Haltung eines jeden einzelnen. Mit den Sonderschulen, die es vor Jahren gab, könne man die Hermann-Keßler-Schule nicht vergleichen: „Wir sind ein Angebot und so wollen wir auch gesehen werden. Eltern können unser Angebot annehmen, oder die Möglichkeit wählen, ihr Kind in einem Regelkindergarten oder einer Regelschule anzumelden“, erklärt Allgayer-Pfaff.
Ergänzend zum schulischen Lernen bietet die Heilpädagogische Tagesstätte den Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit, eigene Interessen zu entdecken und zu entwickeln, sinnvolle Freizeitgestaltung zu erleben und neue soziale Erfahrungen zu machen. „Ein wichtiger Baustein für die Förderung sind unsere umfangreichen Therapieangebote. Neben den medizinischen Therapien wie Logopädie, Ergo- und Physiotherapie bieten wir auch Musiktherapie und therapeutisches Reiten an. Dabei bietet die enge Verzahnung von therapeutischer und pädagogischer Arbeit eine optimale Fördermöglichkeit für unsere Kinder und Jugendlichen. In der Tagesstätte möchten wir die Kinder und Jugendlichen anleiten, damit sie ihr Leben größtmöglich selbständig führen können“,
erklärt Allgayer-Pfaff. „Wir haben zum Beispiel Partnerklassen an der Grundschule Mönchsdeggingen. Gemeinsam veranstalten wir regelmäßig Projekttage oder Schulfeste und haben fortlaufenden Arbeitsgemeinschaften wie zum Beispiel unsere Schulband. Durch dieses selbstverständliche Miteinander werden Barrieren abgebaut und findet soziales Lernen bei allen Beteiligten statt. Gezielte, spezifische Förderung und gemeinsames Erleben in einem pädagogisch gut durchdachten und strukturierten Rahmen, umgesetzt von engagiertem Fachpersonal – das ist meine persönliche Idealvorstellung von inklusivem schulischen Lernen“, so Allgayer-Pfaff zusammenfassend. Das sind selbstverständliche Begegnungen, durch die Barrieren abgebaut und das Miteinander gefördert werden. Gerade diese Begegnungen geben den Kindern auch später im sozialen Leben Sicherheit“, ist Allgayer-Pfaff sicher.
Aber auch die berufliche Eingliederung ist ein wichtiger Aufgabenbereich der HKS. Nach dem Besuch der Grund- und Mittelschulstufe besuchen die Jugendlichen die Berufsschulstufe. Hier werden die jungen Menschen mit vielen praktischen Erfahrungen auf ein möglichst selbstständiges Leben vorbereitet. „Während der Berufsschulzeit bieten wir den Schülerinnen und Schülern untern anderem die Möglichkeit verschiedene Praktika zu absolvieren. Hierbei arbeiten wir eng mit dem Integrationsfachdienst (IFD) zusammen und vermitteln so im ganzen Landkreis Praktikumsstellen“, so die Direktorin. Insgesamt gelinge es durch diese Maßnahmen rund ein Viertel der Schüler auf den ersten Arbeitsmarkt zu vermitteln.
Ein weiteres Angebot, um die Jugendlichen auf ein selbstbestimmtes Leben vorzubereiten ist das Wohntraining. „In der Zeit des Wohn- trainings wohnen die Jugendlichen in unserer Wohnung in Nördlingen – natürlich mit Betreuung. Dort können sie Erfahrungen sammeln, wie es ist, wenn man ohne die Eltern in einer eigenen Wohnung lebt und sich selbst versorgen muss“, erklärt Gabriele Allgayer-Pfaff. „Das Wohntraining gehört neben den vielen Schullandheimaufenthalten oder der Abschlussfahrt nach Berlin für die Jugendlichen zu den Highlights ihrer Schulzeit“ so Allgayer-Pfaff abschließend.