Torf galt jeher als wichtiger Energieträger. Daher setzte der Torfstich in Mertingen noch vor der Industrialisierung ein und erreichte schließlich mit dem Bau der naheliegenden Bahnstrecken und dem Beginn der Donaudampfschifffahrt gewerbsmäßige Ausmaße.
Im Jahr 1848 begannen die Eigentümer und zwei industrielle Unternehmen erstmals mit dem Abbau des Torfes in der Höll. „Der Torf wurde ausschließlich in mühsamer Handarbeit, mit Spezialwerkzeugen gestochen, zum Trocknen aufgeschichtet und mit einer Art Feldlore aus dem Gebiet herausgefahren. Noch heute zeugen zahlreich erhaltene Rippen im Torfkörper der Höll von den Transportwegen dieser Zeit. Zum Trocknen des Torfes entstanden provisorische Hütten. Inmitten des Arbeitsbereiches errichtete man eine Kantine zur Verpfl egung der Torfstecher, das ‚Höllhäusle‘“, berichtet Gemeindearchivar Dr. Franz Xaver Ries und verweist auf entsprechende Beiträge im ersten Mertinger Heimatbuch aus dem Jahr 2000.
Als schließlich 1886 ein Großteil des Gebietes in den Besitz des Kommerzienrates Firnhaber überging, endete der Torfabbau im Zentrum des Donauriedes. Auf den umgebenden Flächen wurde Torf so lange gestochen, bis ihn in den 1950er Jahren das Mineralöl ablöste. Das Gebiet, so Dr. Franz Xaver Ries, besiedelte sich nach dem Torfstich relativ schnell mit Pflanzen wie zum Beispiel Großseggen und Rohrschilf. Durch jahrzehntelanges Absinken des Schilfbestandes ist der Torf inzwischen wieder gewachsen und schwankt heute zwischen ein und zwei Metern.
Tierschutzverein Augsburg pachtet Mertinger Höll
Auf 20 Jahre pachtete der Tierschutzverein Augsburg ab 1962 das gesamte Areal der Mertinger Höll und erteilte sich selbst und den Besucher*innen strenge Verhaltensregeln: „Das Gebiet ist dem Schutz der Tiere und Pflanzen gewidmet; Menschen haben sich darin besonderer Rücksicht zu befleißigen.“ Inmitten der Höll befand sich das zu dieser Zeit stark baufällige „Höllhäusle“. Dieses musste abgebrochen werden. Es wurde gemeinsam mit zahlreichen Helfer*innen aus Mertingen wieder neu aufgebaut. Noch heute dient es als Stütz-punkt für Pflegearbeiten. „In den warmen Monaten muss man als Arbeiter oder Besucher in der Höll mit durchaus heftigen Angriffen von blutsaugenden Stechmückenweibchen rechnen“, schränkt Dr. Ries allzu idyllische Vorstellungen ein.
Landkreis Donau-Ries übernimmt Pacht ab dem Jahr 1982
Da die Pflege des über 150 Hektar großen Areals sehr viel Zeit in Anspruch nahm, sahen sich die Verantwortlichen des Tierschutzvereins Augsburg nicht mehr in der Lage, diese zu übernehmen. So übernahm im Jahr 1982 der Landkreis Donau-Ries die Pacht des einzigartigen Naturgebiets. Mit größter Mühe wurde noch im selben Jahr begonnen, das verwilderte Gebiet zu mähen und zu entbuschen. Im Mertingen Heimatbuch aus dem Jahr 2000 heißt es: „Schon nach wenigen Jahren sind aus den verwilderten Buschlandschaften wieder blühende Streuwiesen entstanden (...). Ganz besonders die zarten Orchideenarten, wie verschiedene Knabenkräuter, Mehlprimeln, Sumpfherzblatt, Schwertlilie, Blut- und Gelb-weiderich, Lungenenzian usw. profitieren von den Pflegemaßnahmen des Landkreises. In gleicher Weise wurde sowohl den Schmetterlingen, Libellen und vielen anderen Insekten als auch Kleinsäugern, Lurchen und Kriechtieren ein günstiger Lebensraum geschaffen.“
Wie die Mertinger „Höll“ zu ihrem Namen kam
Der Name „Höll“ geht zurück auf „Hel“, die germanische Göttin der Unterwelt. Im Christentum wurde daraus die Hölle. Die Menschen im Mittelalter glaubten, dass Moore und Sümpfe grundlos seien und in die Hölle führten. So erklärt sich die Namensgebung für die Mertinger Höll. Das Wort „Höll“ ist im Schwäbischen durchaus als Flurname für moorige und sumpfi ge Gebiete gebräuchlich. Die Stechmücken in der Höll sah der Aberglaube früher dem Teufel zugehörig.