Eine Gemeinde lebt den Gemeinschaftsgedanken
Direkt an der Wörnitz zwischen Nördlingen, Oettingen und Wemding liegt die beschauliche Gemeinde Wechingen. Geographisch bekannt ist sie vor allem als Kreuzungspunkt zwischen den beiden Verbindungsstrecken Oettingen-Harburg und Nördlingen- Wemding. Die rund 1 440 Einwohner*innen der Gemeinde verteilen sich auf die drei Ortsteile Wechingen, Fessenheim, Holzkirchen und den Weiler Speckbrodi.
Ich treffe mich an einem sonnigen Nachmittag mit Bürgermeister Klaus Schmidt im Rathaus (1) der Gemeinde in Wechingen. Schmidt ist bereits seit 2008 Bürgermeister der Gemeinde und seit 2020 sogar Vorsitzender der Verwaltungsgemeinschaft Ries, zu der auch Reimlingen, Mönchsdeggingen, Forheim, Alerheim, Amerdingen, Deiningen, Hohenaltheim und Ederheim gehören. Außerdem war der gebürtige Wechinger zuvor bereits sechs Jahre im Gemeinderat tätig.
Geheimtipp „Wörnitzstrand“
Unseren Spaziergang beginnen wir direkt gegenüber vom Rathaus, am Wechinger Dorfbrunnen (2). Klaus Schmidt erzählt mir, dass hier in regelmäßigen Abständen zum sogenannten Theken-Abend eingeladen wird. Dann wird der Dorfbrunnen zum Treffpunkt für 70 bis 100 Leute. „Jung und Alt kommen hier zusammen, essen und trinken gemeinsam. Diese großartige Tradition spiegelt unseren Dorfcharakter wider und diesen wollen wir uns auch weiterhin erhalten“, erzählt Schmidt. Am Sportplatz des SV Wechingen angekommen, merke ich schnell, dass hier im Sommer nicht nur Tennis und Fußball gespielt wird – in der angrenzenden Wörnitz gibt es auch die Möglichkeit zu baden. Dazu wurde das Ufer bereits vor Jahren mit Sand angefüllt, so ist ein „inoffizieller“ Badeplatz (3) entstanden, der als echter Geheimtipp gilt. „Ich kann mich erinnern, dass in der Wörnitz bereits in meiner Kindheit viele Kinder das Schwimmen gelernt haben. Aufgrund des niedrigen Wasserstandes war es dieses Jahr aber leider nur bedingt möglich, den Fluss zum Erfrischen zu nutzen“, so Schmidt, als wir uns auf den Weg Richtung der evangelischen Kirche St. Moritz und des Kindergartens (4) am anderen Ende Wechingens machen.
Nur wenige Meter neben der Kirche befindet sich hier auch das evangelische Gemeindezentrum, das vor einigen Jahren komplett renoviert wurde und mittlerweile nicht nur Platz für die Wohnung des evangelischen Pfarrers, sondern auch für zahlreiche Feste bietet. Ähnliches soll bald auch für den Kindergarten „Die kleinen Strolche“ gelten. „Die 50 Kindergarten- und 15 Krippenplätze sind aktuell komplett belegt“, erklärt mir Schmidt. Deshalb plane die Gemeinde zusammen mit dem Träger evang.-Luth. Kirchengemeinde Wechingen auch eine Erweiterung um zwei neue Gruppen. „Der Bedarf sei – auch durch die Neubaugebiete – auf alle Fälle gegeben“, so der Bürgermeister weiter.
Eine Brücke die ins nichts führt
Nur einen Steinwurf entfernt, befindet sich eines der Wahrzeichen der kleinen Gemeinde – die sogenannte „Franzosenbrücke“ (5). Die Brücke ist ein beliebtes Fotomotiv, da sie augenscheinlich keinem Zweck dient und einige Meter neben der Straße frei in der Natur steht. Sie wurde im 1. Weltkrieg von französischen Kriegsgefangenen gebaut – daher auch der Name. „Schon in meiner Jugend war die Brücke ein Treffpunkt für uns Wechinger. Welchen Zweck sie jedoch ursprünglich inne hatte, oder, ob der Bau nur als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme diente, wird wohl ein Geheimnis bleiben. Das macht die ‚Franzosenbruck‘ doch auch so besonders“, schwelgt der Bürgermeister in Erinnerungen.
Durch eine Verbindungsstraße, vorbei an Maisfeldern und den Trainingsplätzen der ortsansässigen Fußballmannschaften, führt unser Weg weiter direkt nach Holzkirchen. Das Besondere: Obwohl die gesamte Gemeinde nur rund 1 440 Einwohner zählt, haben alle Ortsteile ihre eigene selbstständige Vereinslandschaft. So gibt es neben den Sportvereinen SV Wechingen und SV Holzkirchen, auch jeweils eine eigene Freiwillige Feuerwehr, zwei Gartenbauvereine, zwei Soldaten und Kameradenvereine, einen erfolgreichen Schützenverein und drei Jugendtreffs. Auf unserem Weg durch die Gemeinde fallen mir entlang der Straßen zahlreiche freistehende Obstbäume auf. Wie mir der Bürgermeister erklärt, stehen diese in der gesamten Gemeinde und sind seit Jahren Teil einer schönen Tradition, der sogenannten Obstbaumversteigerung. Dabei werden die Bäume Jahr für Jahr aufs Neue an die Meistbietenden für einen symbolische Schutzgebühr „versteigert“ – das Obst steht dann natürlich entsprechend zur freien Verfügung.
Am Weiher in Speckbrodi Ruhe und Natur geniessen
Im Zentrum von Holzkirchen angekommen, machen wir zunächst am Gasthaus zur Krone Halt, einem der wenigen verbliebenen Gastronomiebetriebe der Gemeinde und besuchen dann die Peter und Paul Kirche (6). Es wird angenommen, dass bereits im 8. Jahrhundert eine erste Holzkirche an derselben Stelle errichtet wurde, wo heute genau diese Kirche steht. Untypisch für die damalige Zeit, befindet sie sich weit außerhalb von Holzkirchen inmitten von Feldern und Wiesen. „Wenn das Wasser der Wörnitz über ihre Ufer tritt, sind die Wiesen bis zur Kirche häufig komplett überflutet. Dann ist das Gotteshaus nur schwer erreichbar“, erklärt mir Bürgermeister Schmidt. Auch deshalb verwundert es in der Nachbetrachtung umso mehr, dass die Kirche hier vor vielen Jahrhunderten erbaut wurde.
Vom Standort der Kirche aus, ist einige Hundert Meter in der Ferne bereits der Weiler Speckbrodi (7) zu sehen. „Der Weiher direkt am Ortseingang ist einer meiner Lieblingsplätze in unserer Gemeinde“, erklärt mir Schmidt. Außerdem sei am Beispiel Speckbrodis gut zu erkennen,wie beliebt Wechingen nach wie vor bei seinen Anwohner*innen ist. Was Schmidt meint? Man könnte annehmen, dass ein kleiner Weiler mit 36 Einwohner*innen irgendwann nicht mehr existiert – in Speckprodi scheint das Gegenteil der Fall zu sein. „Hier sind in den vergangenen Jahren einige neue Häuser entstanden. Gerade junge Familien kommen nach dem Studium, bzw. der beruflichen Ausbildung gerne wieder zurück in ihre Heimat und wir tun als Gemeinde alles, dass dieser Trend auch weiterhin anhält“, erklärt Schmidt stolz. Der eher ungewöhnliche Name leitet sich laut der Wechinger Gemeindechronik aus dem mittelhochdeutschen Wort speke ab, was Knüppelbrücke oder Knüppeldamm bedeutet. Der andere Teil rührt entweder vom ebenfalls mittelhochdeutschen brodi (schwach, gebrechlich) oder vom slawischen brod (Furt) her.
Von Speckbrodi aus geht es für uns weiter Richtung Fessenheim, dem letzten Ortsteil der Gemeinde. Durch die erschlossenen Neubausiedlungen in Holzkirchen und Fessenheim, sind die beiden Ortsteile zwar mittlerweile nur noch wenige Meter voneinander getrennt, wir nehmen aber einen anderen Weg und kommen über kleinere Straßen schließlich auf Höhe des Ortseingangs an unserem nächsten Ziel in Fessenheim an. Hier befindet sich der Friedhof (8) der Gemeinde. Diese Ruhestätte hat eine technische Neuerung: Weil an vereinzelten Stellen das Wasser nicht gleichmäßig abfließen konnte, wurden einige Gräber im Nachhinein an ein – zumindest im Landkreis einzigartiges – Drainagen System angeschlossen. „Unsere neuen Grabplätze haben alle einen separaten Anschluss an unser Entwässerungssystem. So verhindern wir, dass die Gräber bei zu viel Niederschlag mit Wasser volllaufen“, so Schmidt.
Gemeinde blickt in die Zukunft und setzt auf Modernisierung
Stolz ist er auch auf die Erschließung des sieben Hektar großen neuen Gewerbegebiets, das vor rund zwei Jahren fertiggestellt wurde. Es befindet sich direkt am Kreuzungspunkt der Verbindungstraßen Harburg-Oettingen und Nördlingen-Wemding. Mittlerweile konnte laut Schmidt auch ein Großteil der Flächen vergeben werden. Auf den verbliebenen Grundstücken des Gewerbegebiets wolle man in Zukunft vor allem jungen und modernen Mittelstandsbetrieben die Möglichkeit geben, sich wirtschaftlich zu entfalten. Im Zuge dieser Modernisierung wurden zuletzt auch die Verbindungsstraße zwischen Fessenheim und Wechingen und die Ortsdurchfahrt Fessenheim komplett saniert – für die ortsansässigen Betriebe und ihre Zulieferer ein wichtiger Schritt in die Zukunft.
Überregional bekannt ist Fessenheim auch für seinen großen Kreisverkehr (9), der als Knotenpunkt der Verkehrsadern Harburg-Oettingen und Nördlingen-Wemding dient. Doch nicht nur seine Bedeutung für den Verkehrsfluss in der Region macht den Kreisverkehr so besonders. Seit einigen Jahren wird der Kreisel nicht mehr vom staatlichen Straßenbauamt, sondern von der Vereinsgemeinschaft Fessenheims gepflegt und auch gestaltet. „Wir haben während einer Gemeindeversammlung 2012 über 30 Vorschläge diskutiert, wie der Kreisverkehr in Zukunft aussehen soll und uns letztendlich per Abstimmung für eine Lösung entschieden. Seither haben sich die Ortsvereine für die Gestaltung verpflichtet. Dieses Engagement ist wirklich einmalig“, so Schmidt stolz. Passend zur Weihnachtszeit soll auf dem Kreisverkehr in diesem Jahr wieder ein großer und bunt geschmückter Christbaum erstrahlen.
Im Zentrum Fessenheims trennen sich unserer Wege. Zurück bleiben schöne Erinnerungen und bleibende Eindrücke an die Gemeinde Wechingen, die trotz drei eigenständiger Ortsteile stets den Gemeinschaftsgedanken lebt.
Steckbrief Wechingen:
Bürgermeister: Klaus Schmidt
Höhe: 413 m ü. NHN
Fläche: 24,02 km²
Einwohner: 1 440 (Stand: Aug. 2022)
Gemeindeteile: Fessen heim,
Holzkirchen,
Speckbrodi (Weiler)
Verwaltung: Im Unterdorf 4,
86759 Wechingen
Webpräsenz: www.wechingen.de