Johanna Frickhinger ist in der jahrhundertealten Familientradition die erste Frau, die die Apotheke leitet. „Ich bin in Nördlingen geboren und auch aufgewachsen. Für mein Pharmaziestudium bin ich nach Berlin gezogen und habe dann dort auch noch bis 2008 gelebt“, sagt sie. Früher als gedacht, hat sie ihre Zelte in Berlin abbrechen müssen und ist in ihre Heimat zurückgekehrt. Eigentlich, erzählt die Apothekerin, sei der Plan gewesen, dass sie gemeinsam mit ihrem Vater eine Zeit lang die Apotheke führe, ehe sie diese übernehme. Doch 2008 wurde ihr Vater schwer krank und nur zwei Jahre später starb er, sodass Johanna Frickhinger fortan auf sich allein gestellt war. „Es war ein Sprung ins kalte Wasser“, sagt sie rückblickend. Dass Johanna Frickhinger die Apotheke einmal übernehmen werde, war nicht vorbestimmt. „Ich habe zwei ältere Brüder, die sich aber letztlich gegen den Apotheker-Beruf entschieden haben. Mir macht der Beruf aber sehr viel Spaß“, sagt sie.
Der Name „Apotheke zum Einhorn“ ist übrigens genauso alt wie die Apotheke selbst. Das Einhorn hat seit jeher etwas Magisches an sich. In vielen Sagen und Mythen besitzt das Fabelwesen besondere Heilkräfte und erkennt Böses. Die Hörner der Tiere wurden in vielen magischen Geschichten zu immensen Preisen verkauft, weil man glaubte, dass damit Gifte neutralisiert werden können.
336 Jahre in Familientradition
Seitdem Gottfried Dietrich Frickhinger die Apotheke zum Einhorn im Jahr 1687 übernahm, leben die Frickhingers auch in der Polizeigasse 7. Genau wie ihre Vorfahren ist Johanna Frickhinger hier aufgewachsen und hat den Beruf von Kindheitsbeinen an miterlebt. Über die Geschichte des Frickhinger’schen Hauses weiß die Apothekerin zu erzählen: „Das Haus, in dem sich früher das Gasthaus ‚Zur Blauen Glocke‘ befand, brannte im Dreißigjährigen Krieg vollständig aus. Circa zwanzig Jahre später, gegen 1667, wurde es an gleicher Stelle wieder aufgebaut. In welchem Gebäude in Nördlingen die Apotheke zum Einhorn vor 1687 zu finden war, ist aber leider nicht bekannt.“ Noch heute wohnen drei Generationen in dem über 300 Jahre alten Fachwerkhaus: Johannas Mutter, Doris Frickhinger, Johanna mit ihrem Mann Marco und ihr Sohn Jacob.
Es ist ein gelungener Mix aus Tradition und Moderne, den die Kund*innen spüren, wenn sie das historische Gebäude betreten. Die Pharmazie hat sich freilich in den vergangenen Jahrhunderten stetig weiterentwickelt. Ein Großteil der Medikamente sind heutzutage Fertigarzneimittel – eine Folge der Industrialisierung. „Wir haben uns mittlerweile daran gewöhnt, dass alles sehr schnell verfügbar ist“, sagt Johanna Frickhinger, als sie auf den derzeitigen Medikamentenmangel zu sprechen kommt. Rund 270 Medikamente seien aktuell nicht bestellbar – Corona-Lockdowns und Personalmangel haben die Produktion stark heruntergefahren.
Trotz der Vielzahl an Fertigarzneimittel, stellt die Apotheke noch immer verschiedene Medikamente, wie Zäpfchen, Salben, Lösungen, Kapseln, Pulverbriefchen oder auch spezielle Tees, selbst her. Im Gegensatz zu früheren Zeiten unterliegt die Produktion aber einem viel höheren Standard. Ein wahres Stückchen alte Apothekerkunst haben sich die Frickhinger in ihrem Haus bewahrt. Tritt man durch die niedrige, dunkelbraune Holztür, die im Flur des Erdgeschosses liegt, findet man sich in einer anderen Zeit wieder. Wie in einem kleinen Museum kann man hier noch Apothekerutensilien aus einer längst vergangenen Zeit bestaunen.
Service und Beratung machen den Unterschied
Der anhaltende Fachkräftemangel betreffe auch die Nördlinger Apotheke, berichtet Johanna Frickhinger über die bisher erfolglose Suche nach weiteren Angestellten. Dennoch legen die Frickhingers Wert auf eine ausführliche Beratung und guten Service. „Stammkunden oder kranke Menschen im Umkreis von fünf bis zehn Kilometern beliefern wir selbstverständlich“, erzählt die Apothekerin. Dies sei vor allem auch der entscheidende Vorteil gegenüber Versand- und Online-Apotheken. „Kunden lassen sich ab und an von uns beraten, aber kaufen dann doch online ein. Wir können in der Fachliteratur nachschlagen oder einen Interaktionscheck zwischen verschiedenen Arzneimitteln machen! Es ist schade, wenn dieser Service nicht honoriert wird“, berichtet Johanna Frickhinger.