Sehr geehrter Herr Lange, schön dass Sie sich Zeit nehmen für unser Regionalgespräch. Wir beginnen unser Interview mit einigen kurzen, knackigen Fragen.
Mit welchen Themen haben Sie sich heute schon beschäftig?
Zuerst fand eine Videokonferenz mit dem Bayerischen Bauernverband Dillingen statt, morgen steht dann das gleiche mit dem BBV Donau-Ries an. Danach war ich in einer Videokonferenz mit der CSU-Landesgruppe und jetzt gerade in einem mehrstündigen Fachgespräch mit Vertretern von CSU und CDU zum Thema „große Städte“ – auch per Video natürlich.
We sieht so ein typischer Arbeitstag in Pandemie-Zeiten aus?
Ja genau, es finden natürlich viele Videokonferenzen statt, dazwischen läuft Büroarbeit. Am Abend stehen dann noch Videokonferenzen mit dem CSU-Ortsvorstand und dem Bezirksvorstand an.
Lieber Berlin oder Nördlingen?
Nördlingen und Berlin. Das kann man nicht vergleichen. In Nördlingen lebe ich, in Berlin arbeite ich.
Ulrich oder Uli?
Nur ganz wenige Freunde sagen Uli.
Bahn oder Auto?
Dort, wo möglich, Bahn. Nach Berlin zum Beispiel fahre ich mit der Bahn.
Instagram oder Facebook?
Ich beginne gerade mit Instagram. Aber da bin ich wirklich noch ein Einsteiger.
Lieber Anzug mit Sakko oder Trachtenjanker?
Anzug und Sakko.
Lieber mit Annalena Baerbock zur Klimademo oder mit Olaf Scholz die Steuererklärung machen?
Für vernünftige Ziele in Zukunft wahrscheinlich lieber mit Annalena Baerbock.
Beschreiben Sie sich einmal selbst mit drei Eigenschaften.
Zielstrebig, verlässlich, hartnäckig.
Sie sind in Meran geboren und in Nördlingen aufgewachsen. Erzählen Sie uns doch über Ihre Kindheit.
Ja, ich bin in Meran geboren. Meine Mutter ist Meranerin, eine echte Südtirolerin. Mein Vater ist in Berlin geboren und war Lehrer in Nördlingen. In meiner Kindheit und Jugend habe ich beim TSV gefochten, beim VAN Theater gespielt und in St. Josef ministriert.
Hat Politik in Ihrer Kindheit und Jugend bereits eine große Rolle gespielt?
Meine Eltern waren keine Mandatspolitiker, aber Politik hat schon eine Rolle gespielt.
Nach dem Abitur haben Sie entschieden Rechtswissenschaften zu studieren. War es immer Ihr Wunsch Anwalt zu werden?
Als kleiner Junge wollte ich natürlich, wie alle Buben, Baggerfahrer werden. (lacht) Zu Jura bin ich dann über einen Leistungskurs in Wirtschafts- und Rechtslehre gekommen, da merkte ich: das wäre was für mich.
1992, da waren Sie Anfang 20, haben Sie in Ihrem Heimatort einen Ortsverband der Jungen Union neugegründet.
Was waren damals Ihre Ziele und Beweggründe?
Das war kurz vor dem Ersten Staatsexamen. Uli Klieber und ich kannten uns aus der Schulzeit, als wir die JU gründeten. Es ging uns damals nicht um die große Politik, sondern zum Beispiel um den Bau eines neuen Freibades oder die Frage, was aus der Schranne wurde. Wir haben erreicht, dass 1996 die autofreie Innenstadt mit in unser Wahlprogramm aufgenommen wurde und haben zum JU-Stammtisch im Café Radlos einen Grünen Stadtrat zur Diskussion eingeladen, das war damals eigentlich fast undenkbar.
Wenn Ihnen damals jemand erzählt hätte, Sie hätten damit den Grundstein für Ihr späteres Bundestagsmandat gelegt, was hätten Sie dann geantwortet?
Anfang der 90er Jahre war die Jugend noch politischer als heute, ausgenommen der Fridays-for-Future-Bewegung. Ich war fasziniert von Helmut Kohl, die Wiedervereinigung lag noch nicht lange zurück. Ich hatte Verwandtschaft in Ost Berlin und wusste, wie es war, sich Päckchen hin und her zu senden. Aber nein, dass ich später mal im Bundestag sitzen würde, hätte ich damals nicht gedacht.
Bei den Kommunalwahlen 2002 wurden Sie in den Nördlinger Stadtrat und in den Kreistag gewählt. Was war es, was Sie für die Kommunalpolitik begeistert hat?
Schon 1996 war ich als JU-Vorsitzender auf der Kreistagsliste. Ich habe gelernt, was es heißt Kommunalpolitik zu machen und kann es nur jedem empfehlen, mal auf eine Liste zu gehen. Die Diskussionen, das Mitentscheiden und das Unmittelbare sind das, was mich begeistert hat und was mich auch heute noch in der Bundespolitik begeistert.
Nach einigen Jahren kommunalpolitischer Erfahrung betraten Sie dann die bundespolitische Bühne. Wie kam es dazu?
Ich komme aus der Kommunalpolitik und hätte mir auch gut vorstellen können, ein kommunales Mandat zu übernehmen. Wichtig war mir immer die Unabhängigkeit. Das ist auch heute noch so. Deswegen habe ich auch nie meine Kanzlei aufgegeben. 2008 erreichte die CSU bei der Landtagswahl erstmalig nicht die absolute Mehrheit. 2009 bei der Bundestagswahl gab es dann eine „Wechselstimmung“, hin zu einer jüngeren Generation. Dass ich nominiert wurde, war eine Chance für mich und natürlich auch Glück.
Wie muss man sich Ihren Alltag als Abgeordneter vorstellen?
Circa die Hälfte des Jahres bin ich in Berlin zu den Sitzungswochen. Meist fahre ich am Sonntagabend oder am Montagmorgen mit dem Zug. Zum Wochenstart bespreche ich mit meinen Referenten Gesetzentwürfe, Vorlagen und die Sitzungen der Woche. Es folgen Gremiensitzungen, Anhörungen von Ausschüssen oder Vorbesprechungen in Arbeitsgruppen. Anschließend trifft sich der geschäftsführende Fraktionsvorstand bzw. Fraktionsvorstand und abends die CSU-Landesgruppe. Am Dienstag- und Mittwochvormittag finden weitere Fraktions- und Ausschusssitzungen statt. Das Plenum tagt dann am Mittwochnachmittag, donnerstags oft bis in die späten Abendstunden und am Freitag. Am Nachmittag geht dann der Zug zurück in den Wahlkreis.
Wie leben Sie in Berlin? Haben Sie dort eine Wohnung?
Ja, ich habe eine Wohnung in Berlin. Das kann man sich aber mehr wie eine Studentenbude vorstellen. Aber sie ist so groß, dass die Familie auch mal kommen kann.
Seit 2018 sind Sie stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Was sind hier Ihre Aufgaben?
Das höchste Amt in der Faktion hat Ralf Brinkhaus. Sein erster Stellvertreter ist Alexander Dobrindt. Und dann gibt es noch elf weitere stellvertretende Vorsitzende, die zuständig sind für verschiedene Arbeitsbereiche, in denen wir mit dem Koalitionspartner Gesetze ausarbeiten.
Ihre Schwerpunktthemen sind Verkehr, digitale Infrastruktur und Kommunen. Warum liegen Ihnen diese Themen besonders am Herzen?
Wenn man sich anschaut, woher ich komme – nämlich aus der Kommunalpolitik – dann sind die Themen Bauen, Wohnen, Städtebauentwicklung, Verkehr und digitale Infrastruktur naheliegend. Das sind einige der Kernanliegen der Kommunalpolitik. Ich kann in Berlin dort ansetzen, woran ich vorher in der Kommunalpolitik gearbeitet habe.
Was war bisher die größte politische Herausforderung für Sie persönlich?
Ich war im Untersuchungsausschuss „Abgas“ und jetzt im Untersuchungsausschuss „Maut“. Wobei der Dieselskandal eine völlig andere Dimension eingenommen hatte, wie die Mautthematik. Einen Herrn Winterkorn zu vernehmen war und bleibt eine meiner größten Herausforderungen. Damals wurde mir als Pressesprecherin eine Juristin an die Seite gestellt, die mich unterstützen konnte. Die Dieselkrise hat großes Unverständnis in der Gesellschaft, aber auch in den eigenen Reihen ausgelöst – die Menschen fühlten sich angelogen. Wirtschaft und Politik haben an Glaubwürdigkeit verloren. Der Automobilindustrie hätte ich so etwas vorher nicht zugetraut.
Auch die Corona-Pandemie ist gerade eine der größten Herausforderungen für uns alle. Wie hat die Pandemie Ihren politischen Alltag verändert?
Durch die Kontaktbeschränkungen finden kaum noch Termine wie Einweihungen, Feste, Parteiversammlungen o.Ä. statt, gleichzeitig hat die Zahl der Video-Meetings enorm zugenommen. Diese stundenlangen Sitzungen vor dem Computer sind ehrlich gesagt sehr anstrengend und können den persönlichen Kontakt und Austausch vor Ort nur sehr bedingt ersetzen.
Regelmäßig finden Demonstrationen gegen das Infektionsschutzgesetz statt, sogenannte „Querdenker“ ziehen abstruse Vergleiche und Verschwörungstheorien machen die Runde. Macht Ihnen die Situation Sorge?
Bei der Abstimmung zum dritten Bevölkerungsschutzgesetz (Anm. d. Red.: Die Abstimmungen zum Gesetzesentwurf fanden am 18. November 2020 statt) erlebte ich die Stimmung in Berlin als gespenstisch. Wir wurden mit Post überschüttet, am Tag erreichten uns 500 bis 700 Mails, der Anteil aus dem Wahlkreis war allerdings gering. In Berlin wohne ich nur fünf Minuten weg vom Bundestag, am Tag der Abstimmung kam ich an drei Polizeisperren vorbei. Und die Aktionen der AfD in Bundestagsgebäuden nahmen Formen an, die es so noch nicht gab. Aber ich will es nicht demokratiegefährdend nennen, ich halte unsere Demokratie für sehr stark.
Wann startet der Wahlkampf?
Die Frage ist eher, wie ein Wahlkampf überhaupt stattfinden kann. Man wird neue Formen wählen, in der Pandemie. Doch um alle Wähler zu erreichen wünschen wir uns eigentlich den persönlichen Kontakt zu den Menschen, mit denen wir ins Gespräch kommen. Politik muss immer Zuhörer sein.
Welche Themen werden dann oben auf der Agenda stehen?
Natürlich die Pandemie und deren Folgen; nicht nur für die Wirtschaft, sondern auch für die Gesellschaft. Ich hoffe, dass Vereine, die die Gesellschaft am Laufen halten, wieder zu dem Leben vor Corona zurückkehren können. Das gesellschaftliche Leben ist ja gerade in einem völligen Stillstand. Die Pandemie zeigt aber auch, welchen Wert unsere Krankenhäuser vor Ort haben. Und dann geht es natürlich um die Themen vor Ort, die angefangen wurden und fortgeführt werden: der Bahnhof Donauwörth, der barrierefreie Bahnhof in Nördlingen, die Bahnhofsverlegung in Harburg, Barrierefreiheit in Otting-Weilheim. Aber auch um städtebauliche Entwicklungen, wie die Krone in Oettingen – ein riesiges Projekt, das sehe ich schon als einen der größten Erfolge an.
Ihr Bundeswahlkreis vergrößerte sich um die Gemeinde Altenmünster im Landkreis Augsburg. Warum eigentlich und was bedeutet das für Sie?
Weil der Bundeswahlkreis Augsburg- Land überdurchschnittlich viele Einwohner hatte und wir aufnahmefähig waren. Mein Wahlkreis ist nun flächenmäßig sehr groß, und vielschichtig. Das Ries, das Jura, die Donau, das altbaierische, das alles ist sehr reizvoll und ich lerne immer wieder neues Kennen. Dass ich in diesem großen Wahlkreis ein Präsenzproblem habe, möchte ich nicht sagen, aber natürlich sind es weite Strecken, die man hier zurücklegen muss. Andere Kollegen in anderen Bundesländern haben aber teilweise noch viel größere Wahlkreise.
Noch sind Sie nicht offiziell nominiert – und das nicht als einziger. Auch die Frage wer Parteichef der Union wird und wer Kanzlerkandidat ist längst nicht geklärt. Die Frage wer die Nachfolge von Annegret Kramp-Karrenbauer antritt war in den letzten Monaten ja ein ganz schönes hin und her, oder?
Grundsätzlich bedauere ich, dass Annegret Kramp-Karrenbauer diese Entscheidung getroffen hat. Ich schätze sie sehr. Wichtig ist, dass die CDU nach einer Wahl wieder geschlossen dasteht. Die Positionen der Kandidaten sind in manchen Themen sehr unterschiedlich. Merz kenne ich persönlich nicht, Laschet habe ich kürzlich in einer kleinen Runde persönlich kennengelernt und Röttgen würde ich mal nicht unterschätzen ...
Der Parteichef soll bei dem nächsten Parteitag gewählt werden, der nun nochmals verschoben wurde – auf einen Termin im Januar. Wenn man einen Parteitag wegen Corona im Dezember absagt, kann man ihn dann im Januar trotz Corona halten?
Die Parteisatzung ist nicht ausgelegt auf digitale Parteitage. Außerdem ist das Versammlungsrecht der Parteien und ihrer Verbände durch das Grundgesetz besonders geschützt. Es wäre also gutes Recht, den Parteitag durchzuführen, aber ob das ein gutes Zeichen nach außen wäre, steht auf einem anderen Blatt.
Und wäre ein bayerischer Kanzler auch denkbar?
Wer Kanzlerkandidat wird, darauf werden sich CSU und CDU verständigen müssen. Ich möchte aber so viel sagen: Markus Söder hat in den letzten Monaten viele Menschen sehr überzeugt.
Lassen Sie uns doch nun über die Privatperson Ulrich Lange sprechen.
Sie sind Vater von einer Tochter und einem Sohn. Spielt Politik in Ihrer Familie eine große Rolle und wird da am Frühstückstisch auch mal hitzig debattiert?
Ja, über Politik wird oft heftig diskutiert, vor allem zwischen meinem Sohn und mir. Meine Frau bittet immer wieder mal um einen Tag ohne das „P-Wort“.
Wie beschreiben Sie Ihren Kollegen aus Berlin den Landkreis Donau-Ries, wenn diese noch nie in unserer Region waren?
Was ich recht bedaure ist, dass unsere Region doch sehr unbekannt ist. Ich erzähle vom Ries-Krater, den kennen manche vielleicht noch aus dem Erdkundeunterricht, die Donau ist natürlich auch bekannt. Dann von der Nördlinger Stadtmauer oder Airbus Hellicopters. Wer dann besonders vielen älteren Kollegen etwas sagt, ist tatsächlich Gerd Müller, „Bomber der Nation“. Aber dass das Donau-Ries als eigenständige Region wie das Allgäu gesehen wird, das ist nicht so.
Gibt es einen Platz in Nördlingen oder im Ries, den Sie besonders mögen?
Es gibt einen Spazierweg am Ursprung bei Hohenaltheim. Am Sonntagnachmittag zum Beispiel ist das ein Ort, den ich besonders schätze.
Haben Sie Neujahrsvorsätze?
Nein, die habe ich abgeschafft. Wenn man sich etwas fest vornimmt und es ernst meint, sollte man gleich damit beginnen und nicht auf das neue Jahr warten.
Wobei können Sie die Seele baumeln lassen?
Das kann ich, wenn ich mit der Familie zusammen bin oder im Urlaub. Dann ist das Handy im Flugmodus. In Meran in den Bergen bin ich dann sehr gerne unterwegs.
Gibt es einen Spruch oder ein Motto, welches Sie auf Ihrem Lebensweg begleitet?
Da habe ich mir meine beiden Großväter zum Vorbild genommen. Der eine aus Südtirol sagte immer: „Lachen nicht vergessen“. Und der andere aus Preußen: „Ich muss, ich will, ich kann.“
Kommen wir zum Self-Rating Test. Schätzen Sie bitte Ihre Fähigkeiten von null Punkten – völlig unbegabt – bis zu zehn Punkten – maximale Begabung – ein:
Problemlöser?
9 Punkte.
Redner?
9 Punkte.
Autofahrer?
8 Punkte.
Koch?
8 Punkte, sonntags koche ich gerne.
Vielen Dank, Herr Lange, für das freundliche und interessante Gespräch!