Heimatgeschichte

Seit über 150 Jahren der Mittelpunkt des Oettinger Friedhofs

Seit über 150 Jahren steht das Kreuz mit der goldenen Jesusfigur im Zentrum des Oettinger Friedhofs. Bild: Thomas Oesterer (18097
Die goldene Christus-Figur ist das Wahrzeichen des Oettinger Friedhofs. Zusammen mit Dr. Petra Ostenrieder, Leiterin des Heimatmuseums Oettingen, wagen wir einen Blick in die Geschichte des Friedhofs und durften Restaurator Thomas John bei der Vergoldung der beliebten Christus Figur über die Schulter schauen.

Bevor man den Oettinger Friedhof betritt, fallen zuerst die roten Backsteine ins Auge, aus der die Friedhofsmauer, die Aufbahrungshalle, die Kapelle und das ehemalige Friedhofswärterhaus gebaut sind. Wie Dr. Petra Ostenrieder, Leiterin des Heimatmuseums Oettingen erzählt, stammen sie allesamt aus der ehemaligen Oettinger Ziegelei Dischinger die sich nur wenige Meter Luftlinie vom Friedhof entfernt befand. „Obwohl Nachhaltigkeit und Regionalität ein Phänomen unserer heutigen Zeit sind, wurde schon damals unbewusst Wert auf diese Aspekte gelegt. Durch die kurzen Transportwege blieben die Kosten geringer und Ausbesserungsarbeiten konnten schneller vorgenommen werden“, erklärt sie die damalige Wahl des Materials.

Gelebte Ökumene

Im Jahr 1869 wurde der ursprüngliche Friedhof eingeweiht, um 1900 kam dann eine notwendige Erweiterung hinzu. Ungefähr an dieser Stelle befinden sich heute die sogenannten Ehrenfelder, eine Fläche, die mit Gedenkkreuzen versehen ist und an die Opfer der Bombenangriffe des 2. Weltkriegs erinnern soll. Sie säumen den Übergang zwischen altem und neuem Teil des Friedhofs. „Obwohl er heute inmitten von Wohngebieten liegt, war der Friedhof vor 100 Jahren noch klar von der Stadt getrennt“, erklärt Dr. Ostenrieder die Tatsache, dass der Friedhof von jeglichen Bombenangriffen verschont blieb. Unabhängig von Architektur und Ästhetik, stach der Friedhof bereits seit seiner Einweihung durch ein ganz besonderes Merkmal hervor – auf dem Friedhof wurden seit 1869 sowohl katholische als auch evangelische Bürger*innen Oettingens beerdigt. Besonders und verwunderlich deshalb, weil die Geschichte Oettingens von einer klaren Trennung zwischen den Konfessionen geprägt war – nicht nur im Glauben sondern auch räumlich. Dr. Ostenrieder stellt in diesem Zusammenhang klar: „Zeitweise war Oettingen in zwei separate Gemeinden aufgeteilt und durch eine Mauer getrennt, fast schon wie wir es aus Berliner DDR-Zeiten kennen."

Seit über 150 Jahren steht das Kreuz mit der goldenen Jesusfigur im Zentrum des Oettinger Friedhofs. Bild: Thomas Oesterer

Restaurator - ein aussterbendes Handwerk

Den Mittelpunkt des alten Friedhofsteiles bildet ein Kreuz mit einer goldenen Christus-Figur. Ein Kreuz, das wahrscheinlich bereits seit 1869 zur Grundausstattung des Friedhofs gehört und für viele Bürger*innen der Stadt Oettingen ein Treffpunkt im gemeinsamen Gedenken an ihre Verstorbenen ist. Wind und Wetter haben seit der letzten Restaurierung vor über 40 Jahren ihr Übriges getan und die glänzende goldene Farbe der Figur verblassen lassen. Deshalb wurde sie von Vergolder und Restaurator Thomas John aus Oettingen komplett überarbeitet. Weil sein Berufsfeld immer seltener wird und mittlerweile in vielen Teilen Deutschlands vom Aussterben bedroht ist, ist man in Oettingen besonders froh über seine Dienste. „Früher gab es allein in und um Oettingen drei Kirchenmaler, die für die Instandhaltung von Kirchen, Statuen, Bildern, etc. verantwortlich waren. Heute kann ich mich vor Aufträgen kaum retten, weil ich einer der einzigen Verbliebenen bin“, erklärt der Vergolder

Thomas John beim restaurieren der Jesusfigur. Bild: Thomas Oesterer

Zeitkapsel soll an aktuelle Ereignisse erinnern

Thomas John war es auch, der die Idee hatte, Zeitkapseln in den Hohlraum im Inneren der Christusfigur einzubringen. In der einen Kapsel befindet sich die Ausgabe der Lokalzeitung vom 4. Februar 2021. In die Zweite kamen Münzen der aktuellen Währung, ein Mundschutz, ein Informationsblatt über die Restaurierung der Christusfigur sowie ein Rundschreiben des Bayerischen Gemeindetags mit Informationen zu Bestattungen in Pandemie-Zeiten. Wann die Kapsel wieder geöffnet oder ob sie überhaupt gefunden wird, kann heute noch nicht vorhergesagt werden. „Zeitkapseln geraten über die Jahre oft in Vergessenheit und tauchen dann überraschend wieder auf“, weiß auch Thomas John und führt weiter aus: „In Kirchturmkugeln beispielsweiße ist das Verstecken von Zeitkapseln gängige Praxis.“ Mittlerweile steht die restaurierte Christus - Figur wieder an ihrem ursprünglichen Ort im Zentrum des Oettinger Friedhofs und erstrahlt in neuem Goldglanz. 

Thomas John beim restaurieren der Jesusfigur. Bild: Thomas Oesterer