Heimat & Tradition

Spaziergang durch ... Hainsfarth

Bild: Jörg Alfons
Die Gemeinde Hainsfarth kann auf eine außergewöhnliche Jüdische Geschichte zurückblicken. Zusammen mit Bürgermeister Klaus Engelhardt erkunden wir Hainsfarth und seine Gemeindeteile Steinhart und Wornfeld.

Man könnte sagen, der Gemeinde Hainsfarth läge Oettingen und das ganze Ries zu Füßen, denn von der Anhöhe, auf der das Dorf thront, ergeben sich immer wieder wunderbare Ausblicke in die Riesebene. Hainsfarth und Oettingen trennen nur etwa ein Kilometer sowie die Wörnitz und die Bahnlinie voneinander. Mit ihren Ortsteilen Wornfeld und Steinhart zählt die Kommune 1 446 Einwohner*innen. Bürgermeister ist Klaus Engelhardt. Er hat das Amt seit 2018 inne. Für den Spaziergang durch Hainsfarth treff ich das Gemeindeoberhaupt in seinem Büro in der Hauptstraße.

Erst vor Kurzem ist er in die ehemaligen Räume der Sparkasse gezogen, denn seinen alten Amtssitz im Nachbargebäude hat er zugunsten der Hainsfarther Kinder geräumt. Die Kindertagesstätte Löwenzahn bekommt ab September eine neue Krippengruppe dazu. Dann wird es zwei Kindergarten- und zwei Kinderkrippengruppen geben. Aber damit noch nicht genug: Im September eröffnet auch der neue Wald- und Naturkindergarten in Hainsfarth. Dazu aber später mehr, denn vom Büro des Bürgermeisters geht es erst ein Stückchen die Jurastraße entlang

Erinnerung an die jüdische Geschichte Hainsfahrts

Besonders diese Straße zeugt von der langen jüdischen Geschichte Hainsfarths. So ist belegt, dass bereits 1434 ein Jude aus Hainsfarth in Nördlingen beerdigt wurde. 1722 wurde in der Judengasse (heute: Jurastraße) eine erste Synagoge erbaut.  Im Jahr 1811 erreichten die Juden und Jüdinnen in Hainsfarth mit 40 Prozent aller Einwohner*innen den größten Bevölkerungsanteil. Ab 1850 hatte die jüdische Gemeinde in Hainsfarth einen eigenen Friedhof. Als die erste Synagoge baufällig wurde, plante man ab 1857 einen Neubau. 102 Frauen und 108 Männer sollten in der Synagoge Platz haben. 1860 wurde das jüdische Gotteshaus dann feierlich eingeweiht.

Ein Jahr später fielen die Beschränkungen des Judenedikts aus dem Jahr 1813 und der jüdischen Bevölkerung war es erlaubt, ihren Wohnort frei zu wählen. Viele jüdische Familien wanderten daraufhin weg aus den Dörfern in größere Städte. Die jüdische Gemeinde in Hainsfarth wurde immer kleiner. 1930 zählte die Gemeinde noch 40 Personen. Mit Hitlers Machtübernahme brach das dunkelste Kapitel der Hainsfarther Geschichte an. Ab 1942 wurden mindestens zehn Hainsfarther Juden deportiert. Die Listen der internationalen Holocaust Gedenkstätte Yad Vashem und die Angaben im Gedenkbuch „Opfer und Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933–1945“ zählen über 40 jüdische Personen, die in Hainsfarth geboren oder längere
Zeit dort wohnhaft waren und in der NS-Zeit umgekommen sind.

Die Wandbemalung der Synagoge wurde aufwändig restauriert. Bild: Mara Kutzner

Freundeskreis Synagoge Hainsfarth e.V. setzt sich für Erhalt und Belebung der Synagoge ein

Ab 1983 wurde die Hainsfarthe Synagoge aufwändig restauriert und seit 1996 als Begegnungsstätte für Kultur und Veranstaltungen genutzt. Das Nebengebäude wurde 1820 erbaut und wurde bis 1923 als jüdische Schule genutzt. Auch dieses Gebäude wurde saniert und dient der Dorfgemeinschaft heute als Bürgerhaus. Bei Abbrucharbeiten auf dem Platz vor der Jüdischen Schule und der Synagoge wurde 2015 außerdem eine alte Mikwe – ein jüdisches rituelles Bad – entdeckt. Diese gehörte zur Vorgänger-Synagoge. Nachgebaute Grundmauern und eine Metallstehle erinnern heute eindrucksvoll an das ehemalige Tauchbad. Betreten wird das ehemalige jüdische Gotteshaus durch zwei Türen: Die linke führt ins Erdgeschoss – dieses war den Männern vorbehalten. Über die rechte Tür gelangt man in das obere Stockwerk, dort beteten die Frauen. Die Emporen und rot-goldenen Wand- und Deckenbemalungen im Inneren des Hauses sind beeindruckend und kommen erst richtig zur Geltung, wenn das helle Sonnenlicht durch die großen gebogenen Fenster dringt. Auch die gute Akustik macht sich gleich bemerkbar. Eine Tafel im Bereich des Toraschreins erinnert an die Namen der in der NS-Zeit ermordeten Hainsfarther Juden und Jüdinnen.

Bild: Mara Kutzner

Nachhaltigkeit steht im Fokus

Wir verlassen die ehemalige Synagoge und gehen von der Jurastraße den steilen Schulberg hinauf, vorbei am Schulgelände an den Ortsrand. Dort, oberhalb des Festplatzes, soll zu Beginn des neuen Kindergartenjahres ein Natur- und Walderlebniskindergarten eröffnen. Bürgermeister Engelhardt war es wichtig, dieses Projekt schnell voranzubringen, denn er steht hinter dem pädagogischen Konzept des Kindergartens. Dieses beruht auf Waldpädagogik, Gemüseanbau und Kleintierhaltung. Auf der dortigen Wiese sollen Wachteln und Hasen gehalten und Gemüse angebaut werden. Über eine Streuobstwiese führt der Weg hinauf in ein kleines Wäldchen, das ebenfalls vom Kindergarten genutzt wird. Die Kinder bekommen Holzwägen mit kindgerechter Ausstattung zum Ausruhen, Spielen und Essen bei schlechtem Wetter. In den Schutzunterkünften befinden sich auch Toiletten, Waschbecken und eine Küchenzeile. Die Gemeinde legt dabei besonderen Wert auf eine autarke Versorgung. Ohnehin ist die Energieversorgung – nicht erst seit den Entwicklungen in den letzten Monaten – Bürgermeister Engelhardt ein großes Anliegen. Das Nahwärmenetz des Ortsteils Steinhart befindet sich bereits im Bau. „Mein Dank gilt hierbei der Genossenschaft Steinhart“, freut sich der Bürgermeister. Im August wurde eine Grundsatzentscheidung für das Nahwärmenetz in Hainsfarth getroffen. Ziel ist eine klimaneutrale Wärmeversorgung. Die Versorgung soll über Wärmepumpen gewährleistet werden. Der benötigte Strom – so die Planungen – soll über PV-Anlagen und eventuell mit zwei Windrädern erzeugt werden.

Vom Platz des neuen Naturkindergartens geht es zur Mehrzweckhalle und dem Schul- und Sportareal. Hier befinden sich das Schützenhaus, das Tennisheim, zwei Tennisplätze, ein Schulsportareal, die Mehrzweckhalle, welche für Sport und Veranstaltungen genutzt wird, sowie die Hainsfarther Grundschule.

Innerortbelebung in Hainsfarth und Steinhart

Die Jurastraße führt dann wieder hinab ins Dorf. An der Abzweigung zur Staatsstraße befindet sich das sogenannte Armenhaus. Es wurde 1879 errichtet, als die Gemeinde vom ehemaligen Hainsfarther Bürger Michael Riess 20 000 Mark erhalten hatte. Riess war einer der Juden, denen es Mitte des 19. Jahrhunderts glückte, nach Amerika auszuwandern. Trotz mehrerer geschäftlicher Rückschläge gelangte Riess, der sich fortan „Reese“ nannte, zu außerordentlichem
Reichtum. Sein Testament sah vor, sein Vermögen für wohltätige Zwecke zu nutzen. Bis heute ist ein Krankenhaus in Chicago nach ihm benannt. Von 2019 bis 2020 wurde das von ihm gestiftete Armenhaus in Hainsfarth saniert und es dient noch heute dem guten Zweck. Die Wohnungen darin sind derzeit an anerkannte Flüchtlingsfamilien vermietet.

Das Dorfbild Hainsfarths prägen noch einige andere aufwändig sanierte alte Bauern- und Wohnhäuser. Eines davon ist im Ortsteil Steinhart zu finden, das Schützenhaus der Burgschützen Steinhart. Dieses ist ebenfalls ein ehemaliges jüdisches Haus, denn auch in Steinhart gab es eine größere jüdische Gemeinde samt jüdischem Friedhof. Von der Dorfmitte Steinharts gelangt man über die Burgstraße zu einer weiteren Sehenswürdigkeit des Ortes: Der Steinharter Burgruine . Die Burg vom Adelsgeschlecht „Die Späten von Steinhart“ wurde in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts erbaut und im Dreißigjährigen Krieg zerstört. Mittlerweile ist die Ruine nicht nur beliebtes Ausflugsziel, auch Hochzeiten und andere Feierlichkeiten werden hier veranstaltet.

Mystisch und schön: die Burgruine in Steinhart. Bild: Mara Kutzner

Zeugnisse der Erdgeschichte

Zurück in Hainsfarth geht es durch das Wohngebiet Burschel zum Sportplatz. Dabei berichtet Klaus Engelhardt: „Das Baugebiet Burschel III wird 2024 erschlossen und soll 15 Bauplätze aufweisen“. Oberhalb der Siedlung bietet sich ein guter Blick auf das Dorf. Gleich ums Eck befindet sich der Sportplatz – mit einzigartiger Kulisse. Denn hier sind die Kalkablagerungen aus dem ehemaligen Ries-See zu sehen. Das Geotop „Riesseekalke Hainsfarth“ zählt neben dem zweiten Hainsfarther Geotop „Steinbruch Aumühle“ laut Bayerischem Landesamt für Umwelt zu Bayerns 100 schönsten Geotopen. Das zweite Geotop befindet sich zwischen Hainsfarth und Westheim, auf Höhe der Aumühle. Es zeugt vom Impakt-Ereignis vor 14,5 Millionen Jahren. Der Steinbruch befindet sich zum Teil noch im Abbau.

Von der B466 über die Römerstraße gelangen wir wieder zurück in die Dorfmitte und verabschieden uns mit vielen Eindrücken aus der Hainsfarther Geschichte und Gegenwart.

Bürgermeister: Klaus Engelhardt
Höhe: 445 m ü. NHN
Fläche: 17,54 km²
Einwohner: 1.434 (Stand: 2021)
Gemeindeteile: Steinhart,Wornfeld (Weiler)
Verwaltung: Schloßstraße 36, 86744 Hainsfarth
Webpräsenz: www.hainsfarth.de